"Eine Reform ist dringend nötig"

Herr Westerfellhaus, warum muss die Pflege reformiert werden?Westerfellhaus: Eine Pflegereform ist dringend notwendig, weil sowohl finanzielle als auch personelle Engpässe drohen. Nach den neuesten Berechnungen des Statistischen Bundesamtes werden im Jahr 2025 etwa 152 000 Pflegekräfte fehlen, wenn nicht gegengesteuert wird

Herr Westerfellhaus, warum muss die Pflege reformiert werden?

Westerfellhaus: Eine Pflegereform ist dringend notwendig, weil sowohl finanzielle als auch personelle Engpässe drohen. Nach den neuesten Berechnungen des Statistischen Bundesamtes werden im Jahr 2025 etwa 152 000 Pflegekräfte fehlen, wenn nicht gegengesteuert wird. Allein schon diese Zahl veranschaulicht den Reformbedarf.

Im Mittelpunkt des Pflege-Gipfels heute soll genau dieser Fachkräftemangel stehen. Was erwarten Sie von dem Treffen?

Westerfellhaus: Notwendig ist ein klares Signal, dass die Probleme im Pflegebereich beim Gesundheitsminister angekommen sind. Am Ende dieses Spitzengesprächs muss ein Fahrplan stehen, wie der Personalmangel in den Pflegeeinrichtungen in den nächsten Jahren beseitigt werden soll.

Wie kann das aus Ihrer Sicht geschehen?

Westerfellhaus: Wir brauchen eine ganze Perlenkette von Maßnahmen. Das fängt mit einer attraktiven Ausbildung an, geht über veränderte Rahmenbedingungen, also zum Beispiel weg von der Minuten-Pflege, und das muss auch eine angemessene Vergütung der Pflegetätigkeit einschließen.

Gesundheitsminister Rösler regt an, die Ausbildung von Alten- und Krankenpflegern künftig stärker zu verzahnen. Macht das Sinn?

Westerfellhaus: Auf jeden Fall. Die Pflege in Altenheimen und eine Versorgung etwa von Demenzkranken in Kliniken lassen sich praktisch kaum noch abgrenzen. Mit einer umfassenden Ausbildung in beiden Bereichen können die jungen Beschäftigten zudem besser entscheiden, wo sie ihren beruflichen Schwerpunkt setzen wollen.

Brauchen wir eine gesteuerte Zuwanderung ausländischer Pflegekräfte?

Westerfellhaus: Zuerst müssen natürlich die Arbeitsbedingungen für einheimische Interessenten verbessert werden. Allerdings gilt auch: Ohne qualifizierte Pflegekräfte aus dem Ausland werden wir die wachsende Alterung in Deutschland nicht bewältigen können. Auch hier sind jedoch attraktive Rahmenbedingungen erforderlich, damit solche Fachleute überhaupt zu uns kommen und nicht in andere Länder gehen.

Was heißt das konkret?

Westerfellhaus: Mit dem kürzlich vereinbarten Mindestlohn von 8,50 Euro in der Pflegebranche ist es jedenfalls nicht getan. Das wäre Augenwischerei. Wer glaubt, hoch qualifizierte Leute wie zum Beispiel eine Fachkrankenschwester für Intensivpflege oder Psychiatrie mit solchen Beträgen abspeisen zu können, der wird niemals qualifizierte Kräfte für seine Einrichtung bekommen. Wir haben jetzt schon die Situation, dass selbstständige Pflegekräfte Stundensätze von bis zu 100 Euro am Markt realisieren können. Das kennzeichnet auch ein Stück weit die Versorgungsnot in der Branche.

Laut Gesetz muss mindestens die Hälfte des Personals, das in Pflegeeinrichtungen eingesetzt wird, aus Fachkräften bestehen. Reicht das nicht aus?

Westerfellhaus: Das ist ausreichend. Aber diese Fachkräftequote wird in der Praxis zunehmend verwässert, weil Arbeitgeber zum Beispiel auch Heilerziehungspfleger oder medizinische Assistenten dazu zählen, die mit der unmittelbaren Pflege nichts zu tun haben. Auch hier muss die Politik gegensteuern.

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