Eine Hilfe, kein Allheilmittel

Justizminister Maas regt an, zur Überwachung von Gefährdern die Fußfessel zuzulassen. Der Nutzen der Technik zur Verhinderung von Anschlägen ist umstritten. Dies zeigt der Blick nach Frankreich. Einen Vorteil hat die Fußfessel immer: Sie ist wesentlich güns tiger als eine Haftstrafe.

Kleines Teil mit unklarer Wirkung: So sieht eine elektronische Fußfessel aus. Dieses Modell kam auch im Saarland schon zum Einsatz. Foto: dpa

Kleines Teil mit unklarer Wirkung: So sieht eine elektronische Fußfessel aus. Dieses Modell kam auch im Saarland schon zum Einsatz. Foto: dpa

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Dass die Fußfessel nicht das Allheilmittel im Kampf gegen den Terror ist, weiß die Welt spätestens seit dem 26. Juli 2016, seit dem Mord an einem Priester in Saint-Étienne-du-Rouvray bei Rouen. Einer der beiden Kirchen-Angreifer war den französischen Behörden ganz klar als Terrorverdächtiger bekannt, er wurde zweimal auf dem Weg nach Syrien gestoppt, mit Hausarrest belegt - und musste eine Fußfessel tragen. Trotzdem konnte der 19-jährige Adel Kermiche zur Tat schreiten, dem Priester die Kehle durchschneiden und "Allahu akbar" rufen, bevor er von der angerückten Polizei erschossen wurde.

Dennoch: Seit dem Anschlag auf einen Weihnachtsmarkt in Berlin mit zwölf Toten können sich plötzlich ganz viele Bundespolitiker den Einsatz von Fußfesseln vorstellen, um die schwierige Arbeit der Sicherheitsbehörden zu erleichtern. Auch wenn im Fall des Attentäters Anis Amri eine Fußfessel die Tat nicht verhindert hätte, wie der Deutsche Anwaltverein betont. Das amtlich "Elektronische Aufenthaltsüberwachung (EAÜ)" genannte Gerät hätte nur Auskunft darüber gegeben, dass sich Amri am Berliner Breitscheidplatz aufhält. "Eine solche Fessel schafft nicht wirklich mehr Sicherheit", findet Verbandspräsident Ulrich Schellenberg. Grünen-Chefin Simone Peter hält den Einsatz bei sogenannten Gefährdern ebenfalls für "problematisch". Es brauche keine "Scheindebatten", sagte sie: "Ich bin sehr dagegen, dass wir jetzt alle möglichen Gesetze verschärfen." Geltende Gesetzte müssten besser angewandt werden.

Seit 2011 gibt das Strafgesetzbuch die Möglichkeit, mit der Fußfessel rückfallgefährdete Gewalt- und Sexverbrecher nach Verbüßung ihrer normalen Haft zu überwachen. Im Saarland kam die Technik zum Beispiel bei dem Ex-Sexualstraftäter Walter H. zum Einsatz. Justizminister Heiko Maas (SPD ) will diese Möglichkeit nun auf extremistische Straftäter ausweiten. Er zeigt sich auch offen dafür, die Fußfessel zur Überwachung von Islamisten einzusetzen - vor einer möglichen Verurteilung.

Die 1983 erfundene Fußfessel ist keine Fessel im eigentlichen Sinne, vielmehr ein Fuß- oder Armband. Daran befestigt ist ein Sender, mit dem der Aufenthaltsort eines Menschen überwacht werden soll. Das Gewicht entspricht etwa dem einer Armbanduhr. Man kann mit ihr Sport treiben, Duschen oder Baden. Grundsätzlich ist die Fußfessel ein weit geringerer Eingriff in die Freiheitsrechte als eine Haftstrafe. Die Elektronik hilft dem Staat auch, Geld zu sparen: Ein Tag Haft ist mit rund 100 Euro fast drei Mal so teuer wie ein Tag Fußfessel.

Ein Gericht ordnet das Tragen des Gerätes an und legt auch die Bereiche fest, in denen sich ein Überwachter aufhalten muss oder die ihm verboten sind - zum Beispiel die Wohnung eines Opfers. Mit dem von Navigationsgeräten bekannten GPS-System wird der Aufenthaltsort festgestellt und an die Gemeinsame Überwachungsstelle der Länder (GÜL) im hessischen Bad Vilbel übermittelt - rund um die Uhr und egal, von wo im Bundesgebiet. Hält sich der Betroffene nicht an die Auflagen oder manipuliert den Sender, wird Alarm ausgelöst.

Die Wirkung einer Fußfessel ist insofern begrenzt, als dass sie natürlich nicht darüber Auskunft gibt, mit wem sich ihr Träger trifft. Eine Überwachung der Kommunikation kann da wichtiger sein. Dennoch dient der Apparat der Abschreckung und Kontrolle. Er kann Ermittlern Zeit-Vorteile bringen. Auch muss sich ein Straftäter bewusst sein, dass sein Aufenthaltsort bekannt wird. Praktiker wie der Bund Deutscher Kriminalbeamter sehen vor allem ein technisches Hilfsmittel zur Unterstützung der Polizeiarbeit.

Neben der Fußfessel diskutiert die Berliner Politik im Anti-Terror-Kampf derzeit noch über ein weiteres Thema. Selbst SPD-Chef Sigmar Gabriel will Ländern die Entwicklungshilfe kürzen, wenn Asylbewerber nicht zurückgenommen werden. Die Union sowieso. Es könne nicht sein, dass Deutschland Millionenbeträge an unkooperative Länder gebe, stellte Stephan Mayer (CSU ) klar.

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