Eine grüne Landesmutter für Berlin?

Berlin. Die Grünen schienen gestern kollektiv abgetaucht zu sein. Wer eine offizielle Bestätigung haben wollte, dass sich ihre Bundestagsfraktionschefin Renate Künast (Foto: dpa) endlich entschieden hat, als Spitzenkandidatin bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl am 18

Berlin. Die Grünen schienen gestern kollektiv abgetaucht zu sein. Wer eine offizielle Bestätigung haben wollte, dass sich ihre Bundestagsfraktionschefin Renate Künast (Foto: dpa) endlich entschieden hat, als Spitzenkandidatin bei der Berliner Abgeordnetenhauswahl am 18. September 2011 gegen den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) anzutreten, der stieß auf eine Mauer des Schweigens. Dafür sorgte die Pressestelle der Bundestagsfraktion. In einer Rund-Mail hatte sie alle grünen Abgeordneten aufgefordert, "keine Äußerungen dazu abzugeben". Das schließe auch Kommentare ein, was man von einer "möglichen Kandidatur Renates" halte.

Dieses Versteckspiel ist schon grotesk. Fest steht, dass die Berliner Grünen für den 5. November zu einem "erweiterten Mitgliederabend" einladen. Zentraler Tagesordnungspunkt: eine Rede von Künast. "Wir gehen davon aus, dass sie antritt", bestätigten unserer Zeitung dann auch gleich mehrere Grüne, die Künast gut kennen. Sie selbst will sich nicht vor dem 5. November erklären. Eine breite Zustimmung im eigenen Lager für ihre Kandidatur ist Künast schon jetzt sicher. Die Gelegenheit scheint ja auch günstig wie nie zu sein, sich als erste grüne Landesmutter ins Geschichtsbuch zu bringen. Bundesweit schweben die Grünen schon seit Monaten auf Wolke Sieben. In Berlin kommen sie nach einer aktuellen Umfrage sogar auf 30 Prozent der Stimmen. Die SPD wird nur auf 26 Prozent taxiert. Im direkten Vergleich liegt Künast mit 43 Prozent Zustimmung sechs Prozent vor Wowereit. Insider halten ihre Popularität allerdings zum großen Teil für ein Medienprodukt. Mangels ernsthafter Gegner in der Berliner Landespolitik hatte die Hauptstadt-Presse schon länger über ein Duell Künast - Wowereit orakelt. Zuletzt mochte sich die ehemalige Bundeslandwirtschaftsministerin deshalb wie eine Getriebene gefühlt haben. Eine frühzeitige Kandidatur birgt die Gefahr, an Sympathie zu verlieren. Viele Beobachter glauben auch, dass Künast so lange zögerte, um sich für höhere Weihen in der Bundespolitik bereitzuhalten, sollte Schwarz-Gelb dort scheitern. Wowereit sucht daraus Wahlkampfmunition zu machen: "Wenn sie in Berlin kandidieren will, dann aber bitte ohne Wenn und Aber", giftete er gestern. Eine "Rückfahrkarte in die Bundespolitik", die sie sich offenbar bereithalten wolle, schade Berlin.

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