„Ein wunderbarer Neger“

Berlin/München · Ob der einstige Bundespräsident Heinrich Lübke es wirklich getan hat, ist nicht ganz klar. Aber Bayerns Innenminister hat es getan: Joachim Herrmann hat „Neger“ gesagt. Das Echo war erwartbar – und vernichtend.

In den Niederlanden spaltet ein Rassismus-Streit die Gesellschaft. Es geht um den "Zwarte Piet", den Schwarzen Piet. Er begleitet den "Sinterklaas" (Nikolaus) meist in Scharen. Alle "Piets" sind dabei tief schwarz geschminkt, mit dicken roten Lippen, tragen Kraushaarperücken und bunte Kostüme. Meist schwarze Niederländer klagen gegen die Tradition, die sie als beleidigendes Erbe der Sklaverei empfinden. Zu Recht, sagt die UN - und forderte die Regierung in Den Haag auf, diese Tradition zu überdenken.

In Deutschland tobt um den Mainzer Thomas Neger vor allem in den sozialen Netzen seit geraumer Zeit ein heftiger Zwist. Die "Thomas Neger Metallsystem und -bedachungen" benutzt als Firmenlogo ein gezeichnetes dunkles Männchen mit dicken Lippen und großen Ringen in den Ohren. Kritiker werfen ihm Rassismus vor. Neger sagt, das Logo gebe es seit Jahrzehnten, seiner Auffassung sei es nicht rassistisch. Er zeigte sich jüngst gesprächsbereit über eine Änderung des Logos.

Auch die Klassiker der Kinderbuch-Literatur sind Teil des Streits. Als der Verlag Friedrich Oetinger 2009 die Wörter "Neger" und "Zigeuner" aus Astrid Lindgrens "Pippi Langstrumpf " strich und den Negerkönig in Südseekönig umtaufte, hagelte es Kritik. Anders verhielt sich der Verlag Thienemann-Esslinger. In der Jubiläumsausgabe von Michael Endes "Jim Knopf" soll das Wort "Neger" erhalten bleiben. Auch dafür gab es Kritik. Kein Wunder. Laut einer YouGov-Umfrage (2013) sehen 60 Prozent der Deutschen das Streichen von Wörtern wie "Negerlein" in Kinderbüchern als Zensur.

Meinung:

Sensibilität, nicht Hysterie

Von SZ-MitarbeiterRalf Müller

Es war sicher kein guter Einfall von Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU ), den Entertainer Robert Blanco ungefragt als "wunderbaren Neger" zu bezeichnen. "Neger" ist nun mal ein rassistisches Schimpfwort. Zu einem ernsten Vorgang werden verbale Entgleisungen jedoch erst, wenn dahinter eine entsprechende Einstellung des Entgleisenden zu vermuten ist. Das aber ist im Falle Herrmanns wirklich nicht der Fall. Auch aus privaten Gesprächen ist keine Äußerung bekannt, die bei ihm auf Rassismus hindeuten würde. Er ist zwar der Klartext redende "Schwarze Sheriff" der CSU , aber kein rechter Sprücheklopfer.

Die Entrüstungsmaschinerie, die auf Hochtouren läuft, ist daher überdimensioniert. Wenn man schon einen solchen Ausrutscher als "ungeheuerlich" verurteilt oder gar gleich den Rücktritt Herrmanns fordert, zu welchem Empörungsinstrumentarium will man greifen, wenn sich ein Politiker ernsthaft in rassistisches Gedankengut verheddert? Sensibilität ist angebracht, aber nicht Hysterie. Wenn jeder Sturm im Wasserglas der politischen Überkorrektheit zur Staatskrise hochgejubelt wird, dann schadet das dem politischen Klima. Am Ende sondern Politiker nur noch weich gespültes Wortgestammel ab - und das will niemand.

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