"Ein Schwein wird nicht vom Wiegen fett" Saarland bildet wieder selbst Grundschullehrer aus
Saarbrücken. Mehr als 30 Jahre sind im Saarland keine Grundschullehrer mehr ausgebildet worden - seit der Auflösung der Pädagogischen Hochschule 1978. Saarländer, die Grundschullehramt studieren wollten, taten dies meist in Landau. Zum kommenden Wintersemester wird sich das ändern. Rund 60 junge Leute nehmen am 15. Oktober in Saarbrücken den neuen Studiengang auf
Saarbrücken. Mehr als 30 Jahre sind im Saarland keine Grundschullehrer mehr ausgebildet worden - seit der Auflösung der Pädagogischen Hochschule 1978. Saarländer, die Grundschullehramt studieren wollten, taten dies meist in Landau. Zum kommenden Wintersemester wird sich das ändern. Rund 60 junge Leute nehmen am 15. Oktober in Saarbrücken den neuen Studiengang auf.
Ein besonderer Schwerpunkt in der Ausbildung liegt im Umgang mit heterogenen Lerngruppen, sagt Hans Werner Bedersdorfer, Geschäftsführer des Zentrums für Lehrerbildung an der Universität des Saarlandes. Das heißt: im Unterrichten von Kindern mit Sprachschwierigkeiten, mit Lernbehinderungen, aber auch Hochbegabten. "Die Kunst guten Unterrichts liegt darin, jeden Schüler nach seinen Lernvoraussetzungen individuell zu fördern", sagt Bedersdorfer. Deshalb sollen die jungen Lehrer auch speziell darin ausgebildet werden, eben diese unterschiedlichen Lernvoraussetzungen zu erkennen.
Der Umgang mit Heterogenität ist einer von vier Wahlpflichtbereichen, aus denen sich die Studenten für zwei entscheiden müssen. Er sei aber auch Bestandteil der Unterrichtsmodule in allen drei Pflichtfächern Deutsch, Mathematik und Sachunterricht. Mit dieser starken Ausrichtung auf das Unterrichten von vielfältigen Klassen, so sagt Bedersdorfer, gehe die Saar-Uni noch über das hinaus, was die Kultusministerkonferenz in ihren Lehrstandards vorsieht. Diesen Schwerpunkt habe die Uni bereits in den Jahren 2007/2008 bei der Reform der Lehrerausbildung für die anderen Schularten gesetzt. Die ersten Grundschullehrer werden jedoch erst 2017 in den Schulbetrieb eintreten. mast
Berlin/Saarbrücken. Reiht man allein die zahlreichen innerdeutschen Schulstudien und Bundesländervergleiche aneinander, die seit dem Pisa-Schock von 2001 produziert wurden, dann reichen auch gut zwei Meter Platz im Bücherregal kaum aus. Zwei Aussagen haben alle diese Studien gemeinsam. Vor allem im Süden Deutschlands lernt es sich besser - meist liegt Bayern vorn, mal Thüringen, mal Sachsen. Und: Nach wie vor gibt es eine extrem hohe Abhängigkeit zwischen sozialer Herkunft und Bildungserfolg - wenn auch zwischen den Bundesländern sehr unterschiedlich ausgeprägt.
Das ist auch das Ergebnis der neuesten Studie des Instituts für Qualitätsentwicklung im Bildungswesen (IQB). Bayern liegt in allen drei getesteten Disziplinen - Lesen, Zuhören, Mathematik - vorn, die Stadtstaaten meist am Ende der Rangliste. Das Saarland liegt in Mathematik und im Lesen in einem Mittelfeld mit nur geringen Punktunterschieden. Mit 492 beziehungsweise 495 Punkten bleibt es jeweils knapp unter dem deutschen Mittelwert von 500 Punkten. Sehr schlecht schnitten die saarländischen Grundschüler im Vergleich mit den anderen Bundesländern im Zuhören ab. 484 Punkte bedeuten Rang 14 vor Berlin (472) und Bremen (467).
Eine etwas andere Perspektive bieten aber die absoluten Zahlen für das Saarland. Die zeigen, dass das Zuhören nicht die schlechteste Disziplin der saarländischen Schüler ist. 10,2 Prozent der Kinder erreichten dabei nicht die Mindestanforderungen, im Lesen waren es jedoch 13,2 Prozent und in Mathematik 11,8. Auch den Regelstandard erfüllten im Zuhören mehr Schüler (33,1 Prozent) als in Lesen (30,3) und Mathematik (30,0).
Der saarländische Bildungsminister Ulrich Commerçon (SPD) bezeichnete die Ergebnisse des Ländervergleichs als "wenig aussagekräftig". "Die Studie belegt lediglich die Abhängigkeit des Bildungserfolgs von der sozialen Herkunft. Aber das ist keine neue Erkenntnis", sagte Commerçon. "Deshalb muss unser Schwerpunkt auf der Herstellung von Bildungs- und Teilhabegerechtigkeit liegen." Die Grünen forderten die Weiterführung des Kooperationsjahres von Kindergarten und Grundschule im Saarland. Es sei "ein sinnvolles und erfolgreiches Modell für mehr Gerechtigkeit in der frühkindlichen Bildung", sagte der Vorsitzende der Grünen-Landtagsfraktion, Hubert Ulrich. Die bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion, Barbara Spaniol, sprach sich für mehr individuelle Förderung aus. Dazu bedürfte es mehr beitragsfreier Ganztagsschulen, aber auch einer besseren Besoldung für Grundschullehrer.
Gut zehn Jahre nach dem miserablen deutschen Abschneiden beim weltweiten Pisa-Vergleich sind die Bildungsprobleme der Bundesrepublik durch zahlreiche Studien inzwischen bis ins allerletzte Detail beschrieben. Allein der Bund gibt inzwischen 180 Millionen Euro pro Jahr für Bildungsforschung aus. "Wir haben längst kein Erkenntnisdefizit mehr, sondern ein Handlungsdefizit", kritisiert Marianne Demmer, Vize-Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW). Die Kultusminister wünschen sich künftig von den Schulforschern weniger komplette Vergleiche ganzer Bundesländer, dafür mehr Ursachenforschung.
Doch für echte Abhilfe bedarf es schon mehr. Und häufig geht es auch ums Geld. "Ein Schwein wird nicht allein vom Wiegen fett", sagt der Gießener Erziehungswissenschaftler Norbert Neuß mit Blick auf die vielen Schuluntersuchungen.
Förderung statt Studien
Von SZ-Redakteurin
Stefanie Marsch
Der Erziehungswissenschaftler Norbert Neuß hat Recht, wenn er sagt: "Ein Schwein wird nicht allein vom Wiegen fett." Immer neue Studien mit den immer gleichen Ergebnissen helfen nicht, Defizite in der Schulbildung zu beheben. Sie zeigen höchstens auf, dass trotz aller Reformen seit dem Pisa-Schock vieles noch im Argen liegt. Noch immer sind Kinder aus sozial schwachen Familien und Kinder mit Migrationshintergrund benachteiligt. Deshalb wäre es an der Zeit, mehr Geld in die Überprüfung der Reformen zu stecken anstatt in Leistungsvergleiche, deren Ergebnisse Eltern, Schüler und Lehrer nur verunsichern. Mit Sicherheit wäre der Großteil der 180 Millionen, die der Bund jährlich in Bildungsforschung steckt, in Förderprogrammen an Schulen besser aufgehoben.