Ein schwarzer Tag für die Euro-Familie

Als Jeroen Dijsselbloem am Samstag um 17.32 Uhr vor die Medien tritt, dürfte er ahnen, dass er Worte spricht, die in die europäische Geschichte eingehen: "Angesichts der Situation müssen wir mit Bedauern zu dem Schluss kommen, dass das Programm Dienstagnacht ausläuft." Es ist die schicksalsschwere Mitteilung des 49-jährigen Chefs der Eurogruppe, die fünf Monate intensiver Bemühungen, zahlloser Gipfeltreffen im großen und kleinen Kreis beendet." Die Enttäuschung ist schon sehr groß", ergänzt der deutsche Finanzminister Wolfgang Schäuble wenig später.

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Stunden vorher hatte der griechische Regierungschef Alexis Tsipras seine Landsleute für den kommenden Sonntag zu den Urnen gerufen, um per Volksabstimmung über die Auflagen der Geldgeber entscheiden zu lassen. "Meine Regierung hat kein Mandat für ein Programm, das die Wirtschaft weiter abwürgt", erklärte der Premier von der linken Syriza-Partei. Für eine Abstimmung am 5. Juli wäre aber eine Verlängerung des laufenden Hilfsprogramms nötig gewesen.

Dazu hätte man sich mit den Geldgebern einigen müssen. Das war nicht möglich. "Athen hat den Verhandlungstisch verlassen", stellte Dijsselbloem fest, als sich am Samstagmittag die Euro-Finanzminister in Brüssel versammelten. Der Rest ging schnell. Die 18 Kassenwarte beschlossen - gegen den ausdrücklichen Willen ihres griechischen Kollegen Gianis Varoufakis - eine Erklärung, in der das Ende der Verhandlungen festgestellt wurde. "Plan B ist jetzt Plan A", sagte der finnische Finanzminister Alexander Stubb. Ab da war Athen draußen. Ohne Varoufakis sprachen die Minister weiter - über die Konsequenzen. "Wir werden alles tun, um jede denkbare Ansteckungsgefahr zu bekämpfen", sagte Schäuble .

Kurz nach Mitternacht am frühen Sonntagmorgen billigte das Athener Parlament das Referendum. "Die Griechen sollen am 5. Juli über ein Angebot abstimmen, das es nicht mehr gibt - das ist völlig absurd", sagte ein Diplomat in Brüssel. In Athen und anderen griechischen Städten wurden derweil die Schlangen vor den Geldinstituten immer länger. Selbst die Abgeordneten im Parlament belagerten die wenigen Bankautomaten, um möglichst viel Bargeld abzuheben. Die Angst vor dem, was am heutigen Montag passieren könnte, wurde immer größer.

Schließlich hatte die Euro-Gruppe im zweiten Teil ihrer Samstagssitzung unter anderem über Kapitalverkehrskontrollen gesprochen, die man aber nicht verordnen, sondern nur der Athener Regierung anraten konnte: Aber damit wären die Hellenen vom Zahlungsverkehr mit dem Ausland abgeschnitten. Auf diesen Rat ist Tsipras offenbar eingegangen. Zwar verlängerte die Europäische Zentralbank (EZB) gestern eine weitere Erhöhung des Kreditrahmens für griechische Banken, der bisher bei knapp 90 Milliarden Euro lag, fror ihn aber auf diesem Niveau ein. Deshalb bleiben die Geldinstitute vorerst geschlossen. Dabei weiß man in der Frankfurter Euro-Bank, dass diese Summen, an denen Deutschland mit etwa 27 Prozent beteiligt ist, endgültig verloren wären, sollte passieren, was jeder befürchtet: ein Grexi t.

"Griechenland bleibt Teil der Euro-Zone", bemühte sich der für Euro-Fragen zuständige Vizepräsident der Brüsseler Kommission, Valdis Drombrowskis, zwar noch am Wochenende um Optimismus. Und auch Tsipras selbst hatte bei seiner Rede im Parlament betont, man sei "Teil Europas und des Euros". Aber die Regierung weiß, dass sie sich mit solchen Worten auf dünnem Eis bewegt: Athen rast auf den Grexit zu. Morgen um 24 Uhr läuft das zweite Hilfsprogramm aus. Dann ist die letzte Rate über 7,2 Milliarden Euro weg. Ebenso wie rund elf Milliarden Euro , die die EZB aus Geschäften mit griechischen Staatsanleihen erwirtschaftet hat. Dass Athen die Löhne und Renten pünktlich und vollständig auszahlen kann, gilt als unwahrscheinlich.

Die morgen fällige Juni-Rate an den Internationalen Währungsfonds über 1,6 Milliarden Euro dürfte nicht mehr zu stemmen sein. Dann folgt eine Mahnung, danach die Feststellung des Zahlungsausfalls. Für den Finanzmarkt bedeutet das: Das Land ist finanziell am Ende. Andere Geldgeber sind nicht in Sicht. Moskau hat bisher nicht einmal das Importverbot für griechische Aprikosen gelockert. "Ich glaube, es ist das passiert, was eigentlich nie hätte passieren dürfen", sagte der österreichische Finanzminister Hans Jörg Schelling. Er hat Recht.

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