Ein Satz auf Kurdisch sorgt für Schlagzeilen

Istanbul. Es ist nur ein kurzer Satz, doch den türkischen Medien ist er Schlagzeilen wert. Denn es handelt sich um einen Satz in kurdischer Sprache, gesprochen vom Ministerpräsidenten der Türkei

Istanbul. Es ist nur ein kurzer Satz, doch den türkischen Medien ist er Schlagzeilen wert. Denn es handelt sich um einen Satz in kurdischer Sprache, gesprochen vom Ministerpräsidenten der Türkei. "TRT ses bi xer be", sagte Recep Tayyip Erdogan (Foto: afp) bei der Aufzeichnung eines Interviews mit dem neuen staatlichen Fernsehsender TRT 6, der in kurdischer Sprache sendet und der am Neujahrstag den Betrieb aufnahm. "Gutes Gelingen, TRT 6", hieß Erdogans Botschaft, die der Regierungschef vor Journalisten in Ankara noch einmal demonstrativ auf Kurdisch wiederholte. Dass ein Premier öffentlich Kurdisch spricht, ist im EU-Bewerberland Türkei immer noch eine Sensation, genauso wie die Tatsache, dass die zwölf Millionen Kurden im Land einen TV-Sender erhalten. Noch vor zehn Jahren wäre das undenkbar gewesen, weil der öffentliche Gebrauch des Kurdischen als Propaganda für die PKK-Rebellen gewertet wurde - nun richtet der Staat selbst einen kurdischen Fernsehsender ein. Von einem wichtigen Schritt für mehr Meinungsfreiheit und Demokratie spricht Erdogan. Doch kurdische Politiker sind skeptisch. Sie werfen dem Regierungschef vor, den Sender nur wegen den Kommunalwahlen im März auf die Beine gestellt zu haben. Erdogans Regierungspartei AKP hat das Ziel, im kurdischen Südostanatolien möglichst viele Rathäuser zu erobern und die Kurdenpartei DTP als führende Macht der Region abzulösen. Vom Wahlkampf abgesehen, stellt TRT 6 die mediale Antwort auf den Satellitensender Roj-TV dar, der im Kurdengebiet in jeder Hütte empfangen wird. Der in Dänemark beheimatete Sender steht der PKK nahe und war bisher konkurrenzlos: Viele Menschen in Südostanatolien sprechen in ihrem Alltag nur Kurdisch und können türkische Fernsehsender nur schwer verstehen. TRT 6 soll das ändern, die Vorherrschaft von Roj-TV brechen und den Kurden das Gefühl nehmen, Bürger zweiter Klasse zu sein. Ob TRT 6 seine Ziele erreichen wird, ist ungewiss. Viel wird davon abhängen, ob der Sender den Eindruck zerstreuen kann, er sei nur dazu da, staatliche Propaganda zu verbreiten. Zeitlich begrenzte Sendungen in kurdischer Sprache, die vor einigen Jahren im Staatsfernsehen ausgestrahlt wurden, fanden kaum Interesse. DTP-Politiker argwöhnen, TRT 6 werde bald nach den Kommunalwahlen wieder eingestellt. Sie glauben auch schon zu wissen, wie das geschehen wird: Die Verfassung definiere das Türkische als alleinige Staatssprache, weshalb ein kurdischer Fernsehsender ohne Verfassungsänderung im Grunde rechtswidrig sei, sagte die stellvertretende DTP-Chefin Emine Ayna. Möglicherweise werde die Regierung nach dem Wahltag mit gespielter Überraschung erklären, dass der neue Sender leider illegal ist.

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