Ein Ministerium gegen die Krise?
Berlin · In Deutschland sind mehrere Ministerien, Ämter und Referate für Migration zuständig. Zu viele, warnt Aydan Özoguz (SPD). Um Einwanderungspolitik effektiver zu machen, will sie die Aufgaben bündeln – und erntet Kritik.
Ist die Zeit reif für ein eigenes Einwanderungsministerium? Die derzeit amtierende Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz (SPD ), meint Ja und verweist auf die mit den vielen Flüchtlingen wachsenden Aufgaben in diesem Bereich. "Einwanderung ist das Thema der nächsten Jahre und Jahrzehnte". Während Grüne und Linke die Idee unterstützen, winkt die Union jedoch ab.
Özoguz ist nicht Ministerin, sondern nur Staatsministerin, und das ist ein gewaltiger Unterschied. Nicht nur, dass sie Angela Merkel (CDU ) im Kanzleramt unterstellt ist, sie verfügt dort auch nur über 30 Mitarbeiter. Das ist in einem richtigen Ministerium gerade mal ein Referat. Die Zuständigkeit für das Ausländer-Thema ist derzeit sehr zersplittert. Die meisten Aufgaben werden im Innenministerium erledigt, wo es zwei komplette Abteilungen mit 13 Referaten gibt, eine für "Gesellschaftlichen Zusammenhang und Integration", eine weitere für "Migration und Flüchtlinge". Dem Innenministerium untersteht zudem das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit tausenden Mitarbeitern, das über die Asylanträge entscheidet. Das Arbeitsministerium verfügt über zwei komplette Referate, die sich mit Themen wie "Beschäftigung ausländischer Arbeitnehmer" und "Grundsatzfragen der Ausländerpolitik" befassen. Dazu kommt eine Gruppe "Soziale Sicherheit und Migration". Weitere Zuständigkeiten liegen im Gesundheits-, Justiz- und Bauministerium. Und im Kanzleramt gibt es neben Özoguz' Gruppe seit 2015 noch einen zweiten Arbeitsstab unter Kanzleramtschef Peter Altmaier (CDU ), der politische Antworten auf den Flüchtlingsstrom finden soll.
Özoguz verweist auf das Beispiel Umweltpolitik, das erst 1986 ein richtiges Ministerium wurde. Auch da mussten Ministerien Zuständigkeiten an das neue Haus abgeben. Die dritte Ressortchefin war 1994 übrigens Angela Merkel. Ein eigenes Ministerium hätte auch inhaltliche Konsequenzen. So wie noch jeder Umweltminister "sein" Anliegen massiv gegen das Wirtschaftsministerium vertreten hat, würde auch ein Integrationsminister um sein Thema kämpfen müssen. Und sich im Sinne der Integration wohl oft mit dem Innenminister anlegen, der naturgemäß mehr die Sicherheitsprobleme im Auge hat.
Genau hier beginnen die unterschiedlichen Bewertungen der Parteien. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt unterstützt den Vorstoß. "Das Chaos in der Bundesregierung muss endlich ein Ende haben", sagte sie unserer Zeitung. "Migrations- und Flüchtlingspolitik muss aus einem Guss vom Bund bis in die Kommunen gestaltet werden." Auch das Ausländerrecht müsse dazu gehören. Die Linken-Innenpolitikerin Ulla Jelpke begrüßt den Vorschlag ebenfalls, weil so die Zuwanderung "stärker unter sozialem Aspekt" betrachtet würde. "Das hätte etwas Fortschrittliches", so Jelpke. CDU-Innenpolitiker Stephan Meyer sieht es genau andersherum. Das Thema sei bei Innenminister Thomas de Maizière (CDU ) "gut aufgehoben", meinte er. "Es besteht kein Bedarf, weitere Bundesressorts zu schaffen, damit noch mehr Koordinierungsbedarf entsteht." Die Herausforderungen der Flüchtlingskrise seien schon so "wahrlich groß genug."
Özoguz ist selbst klar, dass es so leicht mit der Umsetzung nicht werden wird. Die Idee sei für einen nächsten Wahlkampf oder eine nächste Koalitionsverhandlung gedacht, betonte sie.
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HintergrundSaar-Innenminister Klaus Bouillon (CDU ), Vorsitzender der Innenministerkonferenz, sieht wegen des starken Zuzugs von Flüchtlingen den inneren Frieden in Gefahr. Sollte die Zahl der Zuziehenden nicht deutlich sinken, "dann wird sich Deutschland verändern, dann bekommen wir Unruhen, sozialen Unfrieden". Die Flüchtlingspolitik der Kanzlerin hält er für nicht gescheitert: "Noch nicht, aber es wird eng, wenn der Zustrom so weitergeht." Deutschland müsse jetzt aber "ein klares Signal" setzen, "dass bei uns eine faktische Grenze der Integration in Sicht ist", so Bouillon in der "FAZ". afp