Ein Macher fürs Ländle

Stuttgart. Schmal ist er geworden, das Gesicht schrumpft etwas hinter seiner markanten Brille, aber seine Leidenschaft ist ungebrochen. Lothar Späth wird heute 75 Jahre alt. Sein Name hat noch immer Klang im politischen Baden-Württemberg und darüber hinaus. So umtriebig fürs Land unterwegs war kein Ministerpräsident

 Lothar Späth war von 1978 bis 1991 Ministerpräsident in Baden-Württemberg. Foto: Seeger/dpa

Lothar Späth war von 1978 bis 1991 Ministerpräsident in Baden-Württemberg. Foto: Seeger/dpa

Stuttgart. Schmal ist er geworden, das Gesicht schrumpft etwas hinter seiner markanten Brille, aber seine Leidenschaft ist ungebrochen. Lothar Späth wird heute 75 Jahre alt. Sein Name hat noch immer Klang im politischen Baden-Württemberg und darüber hinaus. So umtriebig fürs Land unterwegs war kein Ministerpräsident. In seiner Amtszeit zwischen 1978 und 1991 polierte Späth das Image des Landes auf zu einem weltoffenen, ideenreichen, kunstsinnigen und kraftstrotzenden Musterländle.Dass Späth am Ende seiner Amtszeit als Ministerpräsident über eine "Traumschiff-Affäre" mit gesponserten Reisen und allzu nahen Wirtschaftskontakten stolperte, war deshalb fast schon folgerichtig. Die Öffentlichkeit hat ihm, dem liebevoll noch immer "Cleverle" genannten Christdemokraten, diesen Skandal längst verziehen. Der Landeshaushalt spürt die Nachwehen seiner in die Zukunft verlagerten Verschuldung indes heute noch.

Späth, nach der Mittleren Reife im Verwaltungsdienst steil nach oben gekommen, konnte und kann die Menschen einnehmen. Auch der jetzige Landesvater Winfried Kretschmann erinnert sich wohlwollend an die Tage der grünen Anfänge im Landtag, als er sich über den "Fortschritts- und Wachstumswahn" der Späth-Regierung unheimlich aufregte, weil gleichzeitig drei Vogelarten ausgestorben seien. Dennoch habe der liberale Lothar Späth die Neulinge im Parlament vor 30 Jahren auf respektable Augenhöhe gebracht durch Einführungen wie "Nehmen wir mal an, Sie hätten Recht". Das vergisst Kretschmann seinem Vorgänger nicht.

Späth wechselte aus der Politik fast nahtlos als Chef zu Jenoptik. Bis zum Börsengang des einst stolzen Unternehmens schrumpfte die Belegschaft von 30 000 auf gerade 2000, was mit Späth heimging. Danach saß er in Aufsichtsräten von Firmen, die am Neuen Markt teils beachtlich schnell verglühten. Zuletzt war er Vorsitzender der Geschäftsführung der Investmentbank Merrill Lynch für Deutschland und Österreich.

 Lothar Späth war von 1978 bis 1991 Ministerpräsident in Baden-Württemberg. Foto: Seeger/dpa

Lothar Späth war von 1978 bis 1991 Ministerpräsident in Baden-Württemberg. Foto: Seeger/dpa

Und immer saß der Homo Politicus in Talkrunden, moderierte sogar selbst. Dort trat er als gereifter Staatsmann auf, sprach über die Eurokrise, Standortpolitik oder Zukunftssicherung. Zunehmend aber trieben ihn Themen um, die näher rücken mit jedem höheren Geburtstag. In der Talkshow "Maischberger" diskutierte Späth noch im November 2011 über "falsche Alters- und Rentenbilder" und andere gesellschaftspolitische Problemlagen. In Reden und Interviews bewarb er zuletzt immer stärker seine Idee eines Generationenpakts, in dem sich Junge und Alte gegenseitig in Form eines Freiwilligen Sozialen Jahres unterstützen. Vielleicht hat Lothar Späth kommen sehen, dass auch er dem Alter mehr Tribut zollen muss als ihm, dem quirligen Macher, lieb ist. grn

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