„Ein guter Vater muss nicht der leibliche sein“

Dass ein Mensch besessen von der Frage nach seinem leiblichen Vater ist - kommt das oft vor?

Dass ein Mensch besessen von der Frage nach seinem leiblichen Vater ist - kommt das oft vor?

Paulus: Es gibt vor allem zwei Lebensphasen, in denen Menschen herauszufinden suchen, wer sie sind: die Pubertät , in der auch die Frage nach dem Sinn des Lebens gestellt wird, und das höhere Erwachsenenalter, wenn man offene Fragen klären will. Etwa 30 Prozent der Adoptivkinder suchen laut Studien nach ihren leiblichen Eltern.

Was kann es anrichten, wenn man keine Gewissheit über den leiblichen Vater erhält?

Paulus: Das hängt vom sozialen Umfeld ab. Zunächst ist es für die Entwicklung einer gesunden Persönlichkeit irrelevant. Wichtig ist der positive emotionale Zugang des Erwachsenen zum Kind und umgekehrt. Wenn ein Kind aber von Heim zu Heim geht und keine positive Bezugsperson hat, kann die Frage ,,Wer ist mein leiblicher Vater?" sehr viel dringlicher sein.

Macht das gleiche Blut den besseren Vater aus?

Paulus: Nein, ein guter Vater ist, wer für die Entwicklung des Kindes das Optimale zu geben bereit ist. Der genetische Vater könnte es hier etwas leichter haben - aber das darf man nicht verallgemeinern. Es gibt leibliche Väter , die ihr schreiendes Baby aus dem Fenster werfen. Für die Bindung ist eher die eigene Geschichte der Eltern wichtig. Die Fähigkeit, auf die Signale des Kindes richtig zu reagieren, entspringt der eigenen frühen Lebenserfahrung.

Wann entwickelt sich denn dieses tiefe Gefühl: Du bist mein Vater?

Paulus: Schon in den ersten sechs Monaten - und verfeinert sich bis zur Pubertät . Hier wird dem Kind klar: Da ist jemand für mich da. Je größer dieses Gefühl der Sicherheit, desto besser die emotionale und kognitive Entwicklung. Für diese Persönlichkeitsentwicklung ist es unwichtig, ob Vater und Mutter die leiblichen Eltern sind.

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