Ein Gesicht für die Toten am Zaun

Berlin. 136 Lebensgeschichten, die alle mit dem Tod an der Berliner Mauer endeten, enthält das 2009 veröffentlichte "1. Totenbuch" des DDR-Grenzregimes. Es umfasst 524 Seiten. Das zweite dürfte dicker werden. Am Freitag, kurz vor dem 51. Jahrestag des Mauerbaus, wurde in Berlin der Startschuss für die Erforschung der exakten Zahl und der Todesumstände der Opfer gegeben

 Grenzsoldaten tragen das erste Maueropfer Peter Fechter nach seinem Fluchtversuch weg. Foto: dpa

Grenzsoldaten tragen das erste Maueropfer Peter Fechter nach seinem Fluchtversuch weg. Foto: dpa

Berlin. 136 Lebensgeschichten, die alle mit dem Tod an der Berliner Mauer endeten, enthält das 2009 veröffentlichte "1. Totenbuch" des DDR-Grenzregimes. Es umfasst 524 Seiten. Das zweite dürfte dicker werden. Am Freitag, kurz vor dem 51. Jahrestag des Mauerbaus, wurde in Berlin der Startschuss für die Erforschung der exakten Zahl und der Todesumstände der Opfer gegeben.Der an der Freien Universität Berlin beheimatete "Forschungsverbund SED-Staat" bekam den Auftrag, in den nächsten drei Jahren das Geschehen an der mit Stacheldraht, Selbstschussanlagen, Minenfeldern und Grenztürmen gesicherten einstigen "Staatsgrenze" der DDR zu rekonstruieren. Neben dem Bund, der das 500 000 Euro teure Projekt mit 355 000 Euro bezuschusst, beteiligen sich auch Hessen, Niedersachsen und als einziges ostdeutsches Bundesland Sachsen-Anhalt, jeweils mit kleineren Summen.

Auch wegen der Mittelknappheit verzichten die Forscher nun von vornherein auf eine Klärung des Geschehens in den wirren Nachkriegsjahren 1945 bis 1949 sowie auf den kompletten Bereich der Ostseeflüchtlinge. Beides sei sehr aufwendig zu recherchieren, hieß es. Projektleiter Klaus Schroeder äußerte die Hoffnung, dass vielleicht doch noch weitere Länder mitmachen. Auch Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) äußerte Kritik, wenn auch milde. Seine Behörde hatte bei einer Rundfrage in den Staatskanzleien häufig zu hören bekommen, man habe schon regionale Forschungsprojekte oder betreibe eigene Grenz-Museen. Das gilt freilich auch für die drei Länder, die trotzdem Geld geben. "Wir konnten nur an den politischen Gemeinsinn appellieren. Das ist bei den einen auf fruchtbaren Boden gefallen, bei den anderen weniger", sagte Neumann. Er nannte das Projekt enorm wichtig, um den Opfern "einen Namen und ein Gesicht" zu geben. Es sei der "entschiedene Wille" der Bundesregierung, "der Verharmlosung des DDR-Regimes entgegenzuwirken".

500 bis 700 Tote soll es zwischen 1949 und 1989 an der 1390 Kilometer langen Demarkationslinie gegeben haben. Zum Forschungsgegenstand gehört auch der Umgang der DDR mit Fluchtversuchen, die im Vorfeld entdeckt wurden. Umstritten war schon beim ersten Totenbuch die Aufnahme von getöteten DDR-Grenzsoldaten. An der Berliner Mauer waren es acht. Sie seien zwar Täter, aber auch Opfer des Grenzregimes, sagte Schroeder. Allerdings sollen sie besonders ausgewiesen werden. kol

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