Ein Friedensvertrag für die Linke

Berlin. "Selbstverständlich" sei er für ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern auf Autobahnen, erklärte Linksparteichef Klaus Ernst (Foto: dpa). Aus dem Munde eines bekennenden Porsche-Fahrers klingt das zwar reichlich seltsam. Doch so steht es nun einmal im Entwurf für das Grundsatzprogramm seiner Partei

Berlin. "Selbstverständlich" sei er für ein Tempolimit von 120 Stundenkilometern auf Autobahnen, erklärte Linksparteichef Klaus Ernst (Foto: dpa). Aus dem Munde eines bekennenden Porsche-Fahrers klingt das zwar reichlich seltsam. Doch so steht es nun einmal im Entwurf für das Grundsatzprogramm seiner Partei. Und das soll nach den monatelangen internen Quererlen so etwas wie ein linker Friedensvertrag werden. Gestern wurde es offiziell vorgestellt.Die erste Version war schon im März 2010 entstanden. Damals noch unter der Federführung von Oskar Lafontaine, der sich kurz darauf aus gesundheitlichen Grünen vom Parteivorsitz zurückzog. Der Saarländer hatte das Papier mit viel klassenkämpferischer Rhetorik gespickt, was vor allem den Pragmatikern im Osten gegen den Strich ging. Im neuen Entwurf lesen sich manche Passagen geschmeidiger. Das Grundprofil wurde allerdings kaum verwässert. Nachfolgend die wichtigsten programmatischen Aussagen:

Zur Geschichte: Der Vorstand der Linken hatte lange über den Stellenwert des Stalinismus gestritten. Nun wird eine Formulierung wiederholt, die schon eine ihrer Vorgängerparteien, nämlich die SED/PDS im Herbst 1989 gebraucht hatte: "Wir brechen unwiderruflich mit dem Stalinismus als System." Gemeint ist damit nicht nur eine historische Epoche, sondern auch die Tatsache, dass ein kleiner Personenkreis mit uneingeschränkter Machtfülle ausgestattet war. In der DDR ist deshalb aber nicht alles schlecht gewesen: Es habe "großartige Filme, Romane, bildende Künste, Musik und eine engagierte Vermittlung von Kunst, Kultur, Bildung in die Bevölkerung" gegeben.

Zur Eigentumsfrage: Verstaatlichung wird groß geschrieben. Das gilt für die Banken genauso wie für "strukturbestimmende Großbetriebe" wie etwa die vier großen Energieunternehmen Eon, RWE, EnBW und Vattenfall. Zugleich plädiert der Entwurf für Belegschaftseigentum, um den Beschäftigten mehr Einfluss auf betriebliche Entscheidungen zu geben.

Zu Regierungsbeteiligungen: Die Linkspartei werde sich nicht an einer Regierung beteiligen, "die Kriege führt und Kampfeinsätze der Bundeswehr im Ausland zulässt, die Aufrüstung und Militarisierung vorantreibt, die Privatisierungen und Daseinsvorsorge oder Sozialabbau betreibt, deren Politik die Aufgabenerfüllung des öffentlichen Dienstes verschlechtert".

Zur Außenpolitik: Die Uno bleibt für die Linke das wichtigste Instrument zur internationalen Streitbeilegung. Gefordert werden die Auflösung der Nato und stattdessen "ein kollektives Sicherheitssystem unter Beteiligung Russlands".

Meinung

Innerlich zerrissen

Von SZ-KorrespondentStefan Vetter

Die Realos, Fundis, Ost-Pragmatiker und West-Revoluzzer in der Linkspartei verbindet nur noch wenig. Umso erstaunlicher, dass die Linken-Spitze nun einen konsensfähigen Grundsatzprogrammentwurf zustande gebracht hat - den ersten seit der Parteigründung vor vier Jahren. Wird jetzt alles gut, wie das Führungsduo Lötzsch & Ernst inständig hofft? Fragezeichen sind erlaubt. Der Konsens bringt es mit sich, dass jeder Parteiflügel den Entwurf nach seinem Gusto interpretieren kann. Nun muss die Linke nicht fürchten, dass die Masse der Bevölkerung ihren revolutionären Text studiert. Parteiprogramme sind etwas für Feinschmecker. Entscheidend ist, ob daraus praktikable Politik entsteht. Und da eben sieht es vorerst düster aus. Denn die innere Zerrissenheit kann auch der neue Programmentwurf nicht übertünchen.

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