Ein Einsatz mit Folgen für die Polizei

Die Silversternacht am Kölner Hauptbahnhof sorgt bundesweit für Schlagzeilen. Ihre Dimension wurde aber erst im Lauf von mehreren Tagen bekannt.

 Die Bilder aus der Silvesternacht zeigen das dichte Gedränge auf dem Domplatz in Köln.

Die Bilder aus der Silvesternacht zeigen das dichte Gedränge auf dem Domplatz in Köln.

Foto: dpa

Aus einer riesigen Männergruppe heraus werden Frauen vor dem Kölner Hauptbahnhof massenhaft angegangen - und die Polizei erscheint macht- und hilflos: Nach Dutzenden sexueller Übergriffe an Silvester wächst der Druck auf die Polizei und ihren Präsidenten Wolfgang Albers. "So kann die Polizei nicht arbeiten", empört sich Innenminister Thomas de Maizière (CDU ). "Da wird der Platz geräumt - und später finden diese Ereignisse statt, und man wartet auf Anzeigen." Schlimmer kann ein Rüffel von oberster Stelle kaum ausfallen.

Rund 1000 Männer hatten sich nach Polizeiangaben auf dem Bahnhofsvorplatz versammelt und mit Feuerwerkskörpern um sich geworfen. Als die Polizei einschritt, bildeten sich viele kleinere Gruppen. Danach wurden Frauen im Getümmel umzingelt, sexuell bedrängt und beraubt.

Mehr als 100 Frauen haben inzwischen Anzeige erstattet. Doch noch am Neujahrstag schreibt die Polizei in einer Pressemitteilung von einer entspannten Einsatzlage. Diese Einschätzung sei falsch gewesen, räumt Albers mittlerweile ein. Gleichzeitig betont er, die Polizei sei mit ausreichend Kräften vor Ort gewesen: "Wir waren nicht überfordert." Viele Opfer und Augenzeugen schilderten dagegen in Medien, die Polizei habe die Lage nicht im Griff gehabt.

Ein Vorwurf, dem sich die Kölner Polizei nicht zum ersten Mal stellen muss. Oktober 2014: Eine Demonstration der "Hogesa" - Hooligans gegen Salafisten - läuft völlig aus dem Ruder. Gewaltbereite Hooligans und Rechtsextremisten liefern sich Straßenschlachten mit der Polizei . Rund 50 Beamte werden verletzt. Die Bilder der Krawalle seien "für uns kein Erfolg", rügte NRW-Innenminister Ralf Jäger (SPD ) später.

Auch im Jahr 2015 machen negative Schlagzeilen über die Kölner Polizei die Runde. So sollen Mitglieder eines Spezialeinsatzkommandos Kameraden bei Aufnahmeritualen gedemütigt haben. Albers löst die Einheit auf, obwohl die Staatsanwaltschaft die Ermittlungen einstellt und Disziplinar-Ermittlungen noch laufen. Die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisiert dies als Vorverurteilung.

Nach den Vorfällen an Silvester stärken die Gewerkschaften Albers allerdings den Rücken. Der GdP-Landesvorsitzende Arnold Plickert bezeichnet die Kritik de Maizières als "schlechten Stil". Und der Vorsitzende der Deutschen Polizeigewerkschaft, Rainer Wendt, betont: "Die Polizei kann nicht immer alle Eventualitäten voraussehen."

Die Ermittlungen kommen derweil nur schleppend voran: Die Polizei hat zwar eine erste Spur zu drei Verdächtigen, festgenommen wurde niemand. Laut Augenzeugenberichten handelt es sich bei den Tätern um Personen, die "dem Aussehen nach aus dem arabischen oder nordafrikanischen Raum" stammen. Belege, dass Asylbewerber unter den Tätern gewesen seien, gab es ebenfalls nicht. "Manchmal braucht der Rechtstaat Zeit", meint Jäger.

Die wirklichen Dimensionen der Tat scheinen noch völlig unklar. Justizminister Heiko Maas brachte eine mögliche Absprache vor den Übergriffen in Köln und Vorfällen in Hamburg ins Spiel. "Das Ganze scheint abgesprochen gewesen zu sein," sagte der SPD-Politiker dem ZDF . "Es wäre schön, wenn das keine Organisierte Kriminalität wäre, aber ich würde das gerne mal überprüfen, ob es im Hintergrund Leute gibt, die so etwas organisieren." So etwas geschehe nicht aus dem Nichts, es müsse jemand dahinterstecken. Maas nahm die Polizei ein Stückweit in Schutz. Zwar müsse sie sich die Frage stellen lassen, ob sie die Vorfälle bereits in der Silvesternacht ernst genug genommen habe. "Es sollte jetzt aber auch keine vorschnellen Schuldzuweisungen geben", sagte Maas. "Wichtig ist, dass sich so etwas nicht wiederholen darf."

Einen Rücktritt schließt der Polizeichef aus. Auf die Frage, ob er im Amt bleibe, sagte er im WDR: "Aber natürlich. Gerade jetzt bin ich, glaube ich, hier gefragt."

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