Ein Anschlag auf Londons Machtzentrale

London · Mitten im Zentrum der britischen Hauptstadt rast ein Auto zuerst in eine Menschengruppe, dann attackiert der Angreifer einen Polizisten.

Es sind Bilder des Schreckens, die am frühen Mittwochnachmittag über die sozialen Netzwerke und Nachrichtensender aus London in die Welt gehen: Verletzte liegen blutend am Boden, Menschen rennen aus Todesangst in alle möglichen Richtungen, manche springen in Panik in die Themse, um sich in Sicherheit zu bringen. Und im Hintergrund ragen ausgerechnet die größten Wahrzeichen der britischen Hauptstadt empor: der Westminster-Palast mit dem weltberühmten Glockenturm Big Ben.

Der Terror hat London gestern im Herzen getroffen und umso schockierter reagierte die Stadt. Mindestens vier Menschen verloren ihr Leben, darunter auch der Attentäter und ein Polizist. Rund 20 sind laut Behörden verletzt worden. Einige hätten "schreckliche" Verletzungen erlitten, hieß es von einem der Ärzte. Anfangs herrschte noch Verwirrung um die Anzahl der Vorfälle. Doch offenbar ereigneten sich kurz hintereinander zwei Attacken. So war laut Augenzeugen ein Mann in einem Geländewagen auf der Westminster-Brücke auf den Rad- und Gehweg gerast und habe rund ein Dutzend Passanten und Fahrradfahrer umgefahren, darunter auch französische Schulkinder. Danach sei der Geländewagen in das Gitter von Westminster gekracht und zum Stillstand gekommen. Mindestens zehn Menschen wurden verletzt, eine Frau starb.

Nur einige Meter entfernt stach den bisherigen Ermittlungen nach derselbe Angreifer auf dem Parlamentsgelände mit einem Messer auf einen Polizisten ein, der kurz darauf seinen Verletzungen erlag. Beamte haben den Angreifer erschossen, wie Medien berichteten. "Wir behandeln dies als einen terroristischen Vorfall, bis wir etwas anderes wissen", teilte der nationale Krisenkoordinator von Scotland Yard mit. Zum genauen Ablauf oder zu möglichen Hintergründen der Tat hatte die Polizei bis zum frühen Abend nicht Stellung genommen.

Das Parlamentsgebäude wird rund um die Uhr von bewaffneten Polizisten bewacht. Experten meinten, nur deshalb habe der Angriff so schnell beendet werden können. Der Polizist, der von dem Angreifer mit dem Messer niedergestochen wurde, starb.

Den ganzen Nachmittag und Abend herrschte Chaos rund um das Regierungsviertel. Der Busverkehr war eingestellt, die U-Bahnstation Westminster blieb gesperrt. Die Nervosität war spürbar - bei den Schaulustigen, den Beamten, den aus den Gebäuden eilenden Regierungsmitarbeitern. Die Attacke in London wurde auf den Tag genau ein Jahr nach islamistischen Attacken in Brüssel verübt. Am 22. März 2016 rissen drei Selbstmordattentäter am Flughafen der belgischen Hauptstadt und in der U-Bahn-Station Maelbeek im Europaviertel 32 Menschen mit in den Tod .

Gestern in London waren die Abgeordneten über Stunden angehalten, im geschlossenen Unterhaus zu bleiben, bis es Entwarnung gab und sie durch einen Hinterausgang den Westminster-Palast verlassen konnten. Besuchergruppen eilten in Richtung naheliegender U-Bahn-Stationen, darunter viele Deutsche. Eine Schulklasse aus der Nähe von Stuttgart war nur wenige Minuten zuvor noch über die Westminster-Brücke spaziert, nun meldeten sich am Telefon besorgte Eltern. Mehr als eine Stunde nach dem Angriff wurde außerdem eine Frau, von der man annahm, dass sie sich während des Angriffs auf der Brücke befunden hat, mit schweren Verletzungen aus der Themse gezogen.

Nur kurze Zeit nach der Attacke legte sich eine bedrückende Stille über die weiträumig abgesperrte Gegend um Westminster, lediglich durchbrochen vom Kreisen eines Hubschraubers in der Luft. Ist es vorbei? Die Frage trieb gestern die Londoner, Abgeordneten und Touristen um. Premierministerin Theresa May, die vom Parlament in den Regierungssitz in der Downing Street gebracht wurde, berief für gestern Abend eine Krisensitzung des Sicherheitsstabs ein. Das schottische Regionalparlament verschob wegen der Ereignisse seine Debatte über ein weiteres Unabhängigkeitsreferendum.

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