Durchsuchung im Bundespräsidialamt

Berlin/Hannover. Erstmals ermittelt die Justiz direkt im Amt von Bundespräsident Christian Wulff. Ein Staatsanwalt und Beamte des Landeskriminalamtes Niedersachsen haben das ehemalige Büro des langjährigen Wulff-Sprechers Olaf Glaeseker im Bundespräsidialamt durchsucht

Berlin/Hannover. Erstmals ermittelt die Justiz direkt im Amt von Bundespräsident Christian Wulff. Ein Staatsanwalt und Beamte des Landeskriminalamtes Niedersachsen haben das ehemalige Büro des langjährigen Wulff-Sprechers Olaf Glaeseker im Bundespräsidialamt durchsucht. "Wir haben Unterlagen und Computerdateien beschlagnahmt, die jetzt ausgewertet werden müssen", sagte der Sprecher der Staatsanwaltschaft Hannover, Hans-Jürgen Lendeckel, der "Bild am Sonntag".Die Behörde ermittelt im Zusammenhang mit der Lobby-Veranstaltung Nord-Süd-Dialog vor einigen Jahren in Niedersachsen wegen Verdachts der Bestechlichkeit gegen den engen Vertrauten Wulffs, der im Dezember von seinen Aufgaben entbunden worden war. Der Anfangsverdacht habe sich konkretisiert, sagte Lendeckel gestern.

Korruptionsverdacht

Glaeseker war viele Jahre ein enger politischer Wegbegleiter Wulffs, kurz vor Weihnachten aber ohne Angaben von Gründen überraschend als Sprecher des Bundespräsidenten entlassen worden. Die Staatsanwaltschaft prüft, ob der 50-Jährige in seiner Zeit als niedersächsischer Regierungssprecher unter dem damaligen Ministerpräsidenten Wulff den Veranstaltungs-Manager Manfred Schmidt gefällig gefördert hat.

Glaeseker soll mehrere kostenlose Urlaube in Feriendomizilen Schmidts verbracht haben. Gegen Schmidt, der den Nord-Süd-Dialog organisiert hatte, wird wegen Verdachts der Bestechung ermittelt. Schmidt räumte dem "Spiegel" zufolge ein, dass ihm die niedersächsische Staatskanzlei bei der Suche nach Geldgebern für den Nord-Süd-Dialog half. Den Vorwurf, Glaeseker mit kostenlosen Urlaubsreisen bestochen zu haben, wies Schmidt zurück. Er sei seit 30 Jahren mit dem früheren Journalisten befreundet. In dieser Zeit hätten sich beide gegenseitig zu Urlauben eingeladen.

Das Bundespräsidialamt hatte der Staatsanwaltschaft Hannover nach Bekanntwerden der Ermittlungen mitgeteilt, dass der 50-Jährige nach seiner Entlassung am 22. Dezember sein Arbeitszimmer noch nicht aufgelöst habe. Glaeseker hatte am vergangenen Wochenende wegen der laufenden Ermittlungen keinen Zutritt zu seinem Amtszimmer bekommen. Nach der Durchsuchung kann er nun hinein. "Er darf jederzeit seine Sachen abholen. Er hat jederzeit Zugang zu seinem Amtszimmer", sagte eine Sprecherin des Bundespräsidialamtes.

Die Staatsanwaltschaft hatte bereits am 19. Januar Privat- und Geschäftsräume von Glaeseker in Niedersachsen durchsucht. Fahnder verschafften sich auch Zugang zu Räumlichkeiten von Schmidt. Die Ermittler stellten dabei Computerdateien und Dokumente sicher. Die Auswertung habe noch keine Ergebnisse geliefert, sagte Lendeckel. Die Staatskanzlei in Hannover hatte zunächst behauptet, die Landesregierung sei in die Vorbereitung des umstrittenen Nord-Süd-Dialogs nicht involviert gewesen. Inzwischen kommen aber immer mehr Details ans Licht, wonach es doch eine Beteiligung an dem Lobby-Treffen gegeben hat.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) stützt Wulff weiterhin: "Unser Bundespräsident wird viele weitere wichtige Akzente für unser Land und unser Zusammenleben setzen", sagte Merkel der "Bild am Sonntag". dpa

Meinung

Auf einem Tiefpunkt

Von SZ-KorrespondentStefan Vetter

Zwar galt die spektakuläre Visite nicht dem Bundespräsidenten persönlich, sondern "nur" seinem ehemaligen Sprecher Olaf Glaeseker. Doch was heißt das schon? Von Christian Wulff stammt der Satz, dass Glaeseker und er wie siamesische Zwillinge seien. Da fällt es schwer zu glauben, dass Wulff so gar nichts mit jenem Dunstkreis aus Glamour, Gefälligkeit und mutmaßlicher Bestechung zu tun haben soll, der Glaeseker nun zum Verhängnis zu werden droht. Niemand kann Wulff zum Rücktritt zwingen. Der Bundespräsident muss darüber allein entscheiden. Viel Schlimmeres als eine Razzia in seinem einstigen persönlichen Umfeld kann es aber kaum noch geben. Wulffs Ansehen ist auf einem Tiefpunkt angelangt.

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