Drei-Prozent-Hürde für Europawahl in Planung

Berlin · Bis auf die Linke wollen alle Bundestagsparteien für die Europawahl im Mai 2014 eine Drei-Prozent-Sperrklausel. Hinter den Kulissen gibt es aber erhebliche Bedenken – aus verfassungsrechtlichen Gründen.

Der 9. November 2011 war kein guter Tag für deutsche Europa-Parlamentarier. Damals kippte das Bundesverfassungsgericht die Fünf-Prozent-Hürde für Europawahlen. Begründung: Die Klausel laufe der Chancengleichheit zuwider. Sie mache nur Sinn, wenn eine Zersplitterung des Parlaments drohe. Da dort aber bereits 162 Parteien aus 27 Ländern vertreten seien, erübrige sich die Sorge. Obendrein wählten die EU-Abgeordneten keine Regierung, weshalb es auch keine stabilen Mehrheiten brauche.

Zwar schob das Gericht damit zugleich möglichen Begehrlichkeiten einen Riegel vor, die Klausel auch für den Bundestag abzuschaffen. Doch das tröstete die deutschen Europa-Politiker wenig. Zum einen, weil es rechtsextreme Parteien wie die NPD seitdem leichter haben, ins EU-Parlament einziehen - bei künftig 96 Sitzen für deutsche Abgeordnete reicht praktisch ein Stimmenanteil von 1,0 Prozent. Zum anderen, weil sich die Präsenz der etablierten Parteien naturgemäß verkleinert, ihre Mandate also beschnitten werden.

Nach SZ-Informationen soll EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) Druck auf die Fraktionsführungen im Bundestag gemacht haben, um eine Drei-Prozent-Hürde auf den Weg zu bringen. Diese Variante hatten Unions-Politiker bereits 2012 ins Gespräch gebracht - und sich damit in Widerspruch zum Karlsruher Urteil gesetzt. Am Mittwoch fand dazu ein internes Gespräch der zuständigen Berichterstatter aller Bundestagsfraktionen statt. Verabredet wurde, die neue Sperrklausel ins Europawahlgesetz einzufügen, das bereits am 28. Juni verabschiedet werden soll. Dem Vernehmen nach wurden jedoch in der Runde kollektiv Zweifel laut, ob eine solche Regelung in Karlsruhe Bestand haben könnte.

Von den Kleinst-Gruppierungen kündigte die Ökologisch-Demokratische Partei bereits an, gegen die Sperrklausel zu klagen. Nur die Linke lehnte die Drei-Prozent-Hürde aber rundweg ab, weil sie grundsätzlich gegen Sperrklauseln bei Wahlen ist. "Die anderen Parteien sollten sehr genau überlegen, ob sie das Urteil des Verfassungsgerichts in einer Weise auslegen, die dessen Geist widerspricht. Eine solche Arroganz gegenüber dem höchsten deutschen Gericht steht dem Bundestag schlecht zu Gesicht und bringt das Verhältnis der Verfassungsorgane des Landes auf die schiefe Bahn", sagte die Justiziarin der Linksfraktion, Halina Wawzyniak, unserer Zeitung. Auch der innenpolitische Sprecher der SPD, Michael Hartmann, macht aus seinem Unbehagen keinen Hehl: "Ich bin nicht frei von Zweifeln angesichts des Karlsruher Richterspruchs." Dagegen nannte der Europa-Experte der Unionsfraktion, Michael Stübgen, das damalige Richterurteil "eine falsche Entscheidung". Er halte eine Sperrklausel bei der Europawahl für gerechtfertigt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort