Drei Frauen kämpfen ums polnische Regierungsamt

Warschau · Novum im konservativen Polen: Drei Frauen ringen in der Wahl am Sonntag um den Posten der neuen Ministerpräsidentin. Ein echter emanzipatorischer Aufbruch sieht Kritikern zufolge trotzdem anders aus.

Manche nennen es Sensation, andere sprechen von Kalkül. Drei Frauen treten in Polen den Kampf um den Posten der neuen Ministerpräsidentin an. In einem Land, geprägt von der Kirche und einem fast schon prüden Katholizismus, ist das tatsächlich ein Novum. Einer Frau, so heißt es oft in Polen, obliege die Rolle der Mutter, und nur diese. Was solle sie denn in der Politik?

Die derzeitige liberal-konservative Ministerpräsidentin Ewa Kopacz der Bürgerplattform (PO), ihre nationalkonservative Herausfordererin Beata Szydlo von Recht und Gerechtigkeit (PiS) und Barbara Nowacka, die neue Lichtgestalt linker Gruppierungen, suchen dort genau das, was viele in Polen, nicht nur die Frauen, sich wünschen: Veränderungen. Jede tut es auf ihre Weise und machte das bislang, selbst Kopacz, bevor ihr Vorgänger Donald Tusk vor einem Jahr als Ratspräsident nach Brüssel wechselte, als politische Hinterbänklerin. Doch nun, da viele ihrer männlichen Kollegen durch die Skandale der vergangenen Jahre - rechte Parolen der klerikalen PiS, Abhöraffäre der regierenden PO, die nicht verarbeitete kommunistische Vergangenheit der Linken - kompromittiert sind, sollen sie als frische, ja unverbrauchte Gesichter für mehr Vertrauen des Volkes in die politische Klasse sorgen.

Vor allem Kopacz, die Kinderärztin aus dem wohlhabenden Masowien, und Szydlo, die Ex-Bürgermeisterin aus einem grauen Nest am Rande des schlesischen Kohlereviers, tun es auf fast dieselbe Weise. Unauffällig, mit viel Fleiß. Selbst bei der TV-Debatte, bei der die beiden Kontrahentinnen in dieser Woche aufeinander trafen, zeigten sie, was für politische Handwerkerinnen sie sind. Visionärinnen sind sie nicht. Mit nahezu gleichem Gesichtsausdruck beantworteten sie die Fragen der Moderatoren, wiederholten dabei nur das, was in den Partei-Programmen steht. Pflicht erfüllt.

Nowacka, die 40-jährige Informatikerin, pflegt da einen anderen Stil. Die "schöne Basia", wie sie teils genannt wird, setzt ihre Fachkompetenz medial geschickt ein. Der Warschauerin kommt bei der Wahl eine wichtige Rolle zu: Sollte sie es schaffen, der ebenfalls mit sozialen Themen werbenden PiS die Stimmen abzujagen, könnte die Vereinigte Linke (ZL) sogar die Bildung einer Rechtsregierung unmöglich machen und eine Koalition mit der Bürgerplattform PO bilden.

Politologen sehen die Politikerinnen allerdings als "Lückenbüßerinnen". Keine der drei hätte den Aufstieg ohne die Hilfe von Männern geschafft. Kopacz verdankt ihre Position Donald Tusk , Szydlo steht ganz in den Diensten des national-klerikalen Jaroslaw Kaczynski , und auch Nowacka würde wohl noch weiter mit Flugblättern vor dem Sejm stehen und die Menschen auf Fehler der Regierung hinweisen, hätte sie nicht Leszek Miller , der Anführer der linken SLD, zur Kandidatin berufen. Ein schwacher emazipatorischer Aufbruch.

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Hintergrund30 Millionen Stimmberechtigte sind am Sonntag zur Wahl des Sejm (erste Kammer) und des Senat (zweite Kammer) aufgerufen. Die Legislaturperiode beträgt vier Jahre. In den Sejm sollen 460 Abgeordnete aus 41 Wahlbezirken gewählt werden. Der Senat besteht aus 100 Senatoren in 100 Wahlkreisen. 13 Parteien buhlen um die Gunst der Wähler. Wahlforscher sagen der national-konservativen PiS einen sicheren Wahlsieg voraus, auch eine absolute Mehrheit schließen Beobachter nicht aus. Die zweite Kraft dürfte die liberal-konservative Bürgerplattform (PO) von Ministerpräsidentin Ewa Kopacz werden. inh

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