"Diese Wahl ist völlig offen"

Bis vor Kurzem gab es aus Ihrer Partei heftige Angriffe auf Angela Merkel, der Sie Führungsschwäche vorwarfen. Haben Sie diese Strategie jetzt eingestellt, weil Merkel bei den Bürgern beliebt ist? Heil: Es ging nie um persönliche Angriffe, sondern immer darum, Führung beim Koalitionspartner einzufordern, wenn dort gemeinsame politische Vorhaben blockiert werden

 SPD-Generalsekretär Hubertus Heil plädiert für ein vereinfachtes Steuerrecht. Foto: dpa

SPD-Generalsekretär Hubertus Heil plädiert für ein vereinfachtes Steuerrecht. Foto: dpa

Bis vor Kurzem gab es aus Ihrer Partei heftige Angriffe auf Angela Merkel, der Sie Führungsschwäche vorwarfen. Haben Sie diese Strategie jetzt eingestellt, weil Merkel bei den Bürgern beliebt ist?

Heil: Es ging nie um persönliche Angriffe, sondern immer darum, Führung beim Koalitionspartner einzufordern, wenn dort gemeinsame politische Vorhaben blockiert werden. Denken Sie daran, dass Merkel bisher in der eigenen Partei nicht klären konnte, wie gegen Steueroasen vorgegangen werden soll. Oder an ihr CDU-Desaster bei den Job-Centern. Das alles zeigt, dass man Fragezeichen an den Führungsqualitäten von Frau Merkel machen muss, und das werden wir auch weiterhin sachlich und deutlich ansprechen.

Am einfachsten wäre es doch, wenn Sie die Koalition an solchen Fragen platzen lassen würden.

Heil: Nein. Wir wollen, dass es Bewegung in der Sache gibt und dass diese Koalition bis zum letzten Tag ihrer Verantwortung gerecht wird. Deshalb verlangen wir eine Sitzung des Koalitionsausschusses. Wir wären auch bereit, den Bundestag in der Sommerpause zu Sondersitzungen zusammenkommen zu lassen, um überfällige Entscheidungen zu treffen. Wahlkampf ist wichtig in einer Demokratie. Aber das Regieren muss in diesen Krisenzeiten weitergehen.

Trotz des Wechsels von Beck zu Müntefering und Steinmeier liegt Ihre Partei seit September in den Meinungsumfragen wie Beton bei rund 25 Prozent. Haben Sie dafür eine Erklärung?

Heil: Entscheidend ist nicht, was am nächsten Sonntag wäre, wie es in diesen Umfragen heißt, sondern was am Wahltag ist. Die SPD hat das größte Zuwachspotenzial von allen Parteien. Die Bürger spüren angesichts der Finanzmarktkrise immer mehr, dass eine wirtschaftsradikale Ideologie in Deutschland nicht regieren darf. Das heißt, Schwarz-Gelb hat keine gesellschaftliche Mehrheit.

Glauben Sie, dass Sie einen Steuerwahlkampf gegen FDP und CSU gewinnen können?

Heil: Uns geht es um eine gerechtere Verteilung, nicht um unrealistische Steuersenkungs-Versprechungen. Wir wollen die kleinen und mittleren Einkommen entlasten und größere Einkommen stärker heranziehen. Wir brauchen einen handlungsfähigen Staat und Gemeinsinn. Das spüren die Bürger gerade in der aktuellen Krise sehr deutlich.

Für Ihren Vorschlag, einen Bonus von 300 Euro an jene zu zahlen, die auf eine Steuererklärung verzichten, haben Sie massive Kritik geerntet. War das ein Schnellschuss?

Heil: Da sind viele Pharisäer unterwegs. Leute, die die Bierdeckel-Steuer noch klasse fanden, entdecken nun alle möglichen Detailprobleme. Der Vorschlag regelt steuerliche Bagatellfälle und bedeutet damit auch eine Entlastung von Steuerbürokratie. Viele Menschen mit geringen Einkommen müssen sich mit dem Steuerrecht herumplagen, obwohl sie nichts absetzen können. Das kann man einfacher haben.

Hintergrund

Ein Vorstoß zur Abschaffung des Solidaritätszuschlages nach der Bundestagswahl findet nur wenig Unterstützung. Der Soli könne gestrichen werden, "wenn die Wirtschaft wieder anspringt", hatte Baden-Württembergs CDU-Generalsekretär Thomas Strobl gesagt. "Das wäre eine sehr unbürokratische, schnelle und spürbare Entlastung für alle Arbeitnehmer." Strobl erntete dafür Widerspruch aus den eigenen Reihen. Bundesbildungsministerin Annette Schavan (CDU) nannte den Vorstoß verwunderlich. "Ich glaube auch nicht, dass er in der CDU mehrheitsfähig ist." dpa

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