„Die Vorgänge könnten Blatter sogar stärken“

Sylvia Schenk ist bei der Anti-Korruptions-Organisation „Transparency International“ Expertin für Korruption im Sport. Schon lange beschäftigt sich die ehemalige Leichtathletin mit der Fifa. Die Verhaftung von einigen Funktionären überrascht sie daher nicht, erklärt sie im Gespräch mit SZ-Korrespondent Hagen Strauß.

Wie korrupt ist die Fifa?

Schenk: Da muss man zunächst erklären, wer die Fifa ist: Sie besteht aus 209 Nationalverbänden. Darunter sind viele Länder, die bei uns im Korruptionsindex eine miserable Platzierung einnehmen. Und wer wird in solchen Staaten Präsident des nationalen Fußballverbandes? Sicherlich nicht die einzige integre Persönlichkeit. Insofern handelt es sich bei den Mitgliedern häufig um ein schwieriges Klientel. Es geht außerdem um viel Geld auf Fifa-Ebene, aber auch auf den Ebenen der nationalen und der Kontinentalverbände. Nun rächt sich wieder einmal, dass die Fifa nur sehr zögerlich angefangen hat, im eigenen Laden aufzuräumen.

Unter den Verdächtigen sind auch Vize-Präsidenten. Was heißt das für Joseph Blatter?

Schenk: Die Vorgänge könnten Blatter stärken. Weil bei der Fifa viele womöglich jetzt sagen werden, wir brauchen noch jemanden, der klar führt, der uns durch dieses Tal steuert.

Aber das Image der Fifa hat sich doch unter Blatter katastrophal verschlechtert.

Schenk: All diese Vorgänge haben natürlich unter seiner Führung stattgefunden. Insofern kann niemand ernsthaft davon ausgehen, dass Blatter nichts gewusst hat. Nur: Es gibt zugleich offenbar nichts, was Blatter direkt belastet. Das könnte auf die Delegierten beim Fifa-Kongress wirken. Sie haben aber Recht: In der Öffentlichkeit traut Blatter niemand mehr zu, dass er im Weltverband aufräumt.

Hat die Fifa ein Führungs- oder ein Strukturproblem?

Schenk: Sie hat wie alle internationalen Verbände ein Strukturproblem. Und weil sie das zu spät erkannt und angepackt hat, hat sie ein Führungsproblem. In der Konsequenz ist dadurch ihre Reputation ruiniert worden. Da kommt also einiges zusammen.

Heißt das, nur ohne Blatter kann die Fifa Glaubwürdigkeit zurückgewinnen?

Schenk: Ja. Mit ihm an der Spitze wird die Fifa keine Glaubwürdigkeit mehr nach außen vermitteln können.

Wie ist das Verhältnis von Politik und Fifa - gibt es da eine Abhängigkeit?

Schenk: Die Fifa hat eine Monopolstellung. Das darf man nicht vergessen. Deswegen sitzen die meisten Politiker gerne neben Blatter auf der Ehrentribüne. Ich bin stolz, dass es kein Foto von mir mit ihm gibt, obwohl ich ihm ein paar Mal begegnet bin. Andere finden das nicht schädlich. Aber das ist typisch Politik.

Die Fifa behauptet oft, sie tue viel Gutes. Ist dem so?

Schenk: Das ist richtig. Sie unterstützt die Nationalverbände, sie hat den Fußball weltweit vorangebracht. Es passieren seitens der Fifa viele wichtige Dinge in der Entwicklungszusammenarbeit. Auch die Bundesregierung kann ja nicht garantieren, dass in diesem Bereich jeder von ihr ausgegebene Euro an der richtigen Stelle ankommt. Deswegen muss man die Fifa mitunter auch differenzierter betrachten.

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