Die Verteidigungsministerin muss sich verteidigen

Berlin · Hat Ursula von der Leyen mit ihrem Kommentar zur „Führungsschwäche“ in der Bundeswehr ein Eigentor geschossen?

Soldatinnen, die sexuell erniedrigt werden, ein Rechtsextremer, der seine Gesinnung in der Kaserne offen zur Schau stellt. Ein Sturmgewehr mit eingeritztem Hakenkreuz. Und was tun die Vorgesetzten? Nichts oder auf jeden Fall zu wenig. Für Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen ist das Maß jetzt voll. Sie sagt: Da gibt es generelle Probleme. Da fehlt die richtige Haltung. Das sind keine Einzelfälle. Die Empörungswelle, die sie mit ihren Äußerungen auslöst, droht über von der Leyen zusammenzuschlagen. Der Bundeswehrverband, Politiker der Opposition und auch der Koalitionspartner SPD werfen der CDU-Politikerin vor, sie habe mit einem Pauschalurteil Zehntausende unbescholtene Soldaten vor den Kopf gestoßen, anstatt sich ihrer eigenen Verantwortung zu stellen.

Von der Leyen hat zu diesem Zeitpunkt schon mit dem Generalinspekteur der Bundeswehr, Volker Wieker, gesprochen. Er hat in ihrem Auftrag eine Untersuchung eingeleitet, auch beim Jägerbataillon 291, das zur Deutsch-Französischen Brigade gehört. Für die Untersuchung ist ein Team ins französische Illkirch gereist, wo der terrorverdächtige Franco A. zuletzt stationiert war.

Das Team sollte herausfinden, wer alles von den merkwürdigen Umtrieben des Franco A. hätte wissen können oder müssen. Das Ergebnis der Untersuchung macht die Ministerin erst einmal sprachlos. Auch Wieker sagt, er sei "sehr verblüfft" gewesen. Nicht nur, weil die Vorgesetzten von Franco A. über dessen rechtsex treme Gesinnung hinwegsahen.

Auch weil es diese Vorgesetzten 2014 versäumten, den Militärischen Abschirmdienst (MAD) davon zu unterrichten, dass Franco A. in seiner Masterarbeit die Angst vor einer Zerstörung der westlichen Gesellschaften durch Subversion zu schüren versuchte. Und weil Franco A. wohl auch in seinem beruflichen Umfeld Unterstützer hatte. Wie viele es waren, und ob dieses Netzwerk mehrere Standorte betraf, ist noch nicht ganz klar.

Die Fälle in Illkirch und Pfullendorf sind unterschiedlich gelagert. Hier geht es um Rechtsex tremismus, dort um sexuelle Nötigung und Machtmissbrauch. Trotzdem sieht man im Verteidigungsministerium Parallelen. Denn in beiden Fällen muss es Mitwisser gegeben haben, die dicht hielten. In Illkirch wurden Wehrmachts-Devotionalien offen zur Schau gestellt. In einem Aufenthaltsraum der Kaserne in Pfullendorf gab es eine fest installierte Pool-Stange, wie sie in Rotlichtlokalen zu finden ist. Eine Soldatin berichtete, sie sei gezwungen worden, nackt an dieser Stange zu tanzen. Ein Sonderermittler fand in der Kaserne auch ein Regal mit offenen Schnapsflaschen.

Trotzdem wird von der Leyen der Frage nach der politischen Verantwortung für diese Zustände nicht ausweichen können. Die Ereignisse in Pfullendorf, Bad Reichenhall und in Illkirch werdenmit einfließen in ihre Bilanz .

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