USA ziehen 12 000 Soldaten ab Trumps Abrechnung mit Deutschland

Washington · Drei Monate vor der US-Wahl legt Washington seine Pläne zum Truppenabzug vor. Fast 12 000 Soldaten sollen die Bundesrepublik verlassen.

Bevor Donald Trump zum Präsidenten gewählt wurde, war er Geschäftsmann. Viele Dinge betrachtet er auch heute noch aus dieser Perspektive. Oft spricht er darüber, wer wie viel wofür bezahlt hat und droht mit Konsequenzen, sollte es zu wenig sein. Nun ist der Lieblingsgegner unter den US-Verbündeten an der Reihe. Die USA wollen fast 12 000 Soldaten aus Deutschland abziehen – und übertreffen damit alle Befürchtungen auf deutscher Seite.

Während Verteidigungsminister Mark Esper und Vertreter der Militärführung am Mittwoch bei Bekanntmachung der Pläne im Pentagon zunächst bemüht sind, die Entscheidung strategisch zu begründen, macht Trump im Garten des Weißen Hauses unverhohlen klar, dass es sich dabei um eine Strafaktion handelt. „Deutschland ist säumig“, sagt Trump. „Deutschland schuldet der Nato Abermilliarden an Dollar.“

Es ist ein immer wieder geäußerter Vorwurf an die Adresse Berlins, dass dort zu wenig in die Verteidigung investiert werde. Grundlage für Trumps Kritik ist das Zwei-Prozent-Ziel des Verteidigungsbündnisses, das vorsieht, dass sich alle Alliierten bis 2024 dem Ziel annähern, mindestens zwei Prozent ihres Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben. Deutschland hat die Ausgaben in den vergangenen Jahren zwar deutlich gesteigert, lag aber 2019 dennoch erst bei einem BIP-Anteil von 1,38 Prozent.

Auch wenn Esper am Mittwoch betont, er habe die Pläne vergangene Woche mit Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer besprochen und werde dies auch in den kommenden Tagen und Wochen im Detail tun, hat die Entscheidung die Bundesregierung im Juni kalt erwischt. Sie erfuhr aus den Medien davon. Auch in einer Unterrichtung der Experten des Bundestags hinterließen die parlamentarischen Staatssekretäre aus dem Verteidigungsministerium und dem Auswärtigen Amt am Mittwoch den Eindruck, als wenn sie noch nicht in alle Details eingeweiht sind.

Fest steht aber: Es soll noch viel schlimmer kommen als erwartet. Mit fast 12 000 Soldaten gehen die Pläne schon zahlenmäßig deutlich weiter als die zunächst kommunizierten 9500 Soldaten. Die Hälfte der betroffenen Soldaten sollen in die USA zurückgeholt, weitere 5600 in andere Nato-Länder verlegt werden. Noch schmerzhafter ist es, dass die Amerikaner zwei wichtige Kommandozentralen verlagern wollen. Von den Patch-Baracks in Stuttgart-Vaihingen aus werden derzeit noch die US-Operationen in ganz Europa und in Afrika gesteuert. Das Europa-Kommando soll nun nach Mons in Belgien verlegt und dort mit dem militärischen Nato-Hauptquartier in Europa verzahnt werden. Für das Afrika-Kommando ist noch kein Standort gefunden. Der Kommandeur der US-Streitkräfte in Europa, Tod Wolters, machte aber klar, dass die USA auch dieses Hauptquartier verlegen wollen.

Für Stuttgart ist das schon ein harter Schlag. Viel schlimmer sieht es aber für die strukturschwache Eifel in Rheinland-Pfalz aus. Dort wird vom Luftwaffenstützpunkt Spangdahlem wahrscheinlich nicht mehr viel übrig bleiben. Das dort stationierte Geschwader von F16-Kampfflugzeugen soll inklusive Besatzung, Unterstützungskräften und Technikern abgezogen werden. Zur Air Base in Spangdahlem gehören rund 4000 US-Soldaten. Die Angehörigen eingerechnet leben und arbeiten fast 11 000 Menschen auf dem Stützpunkt. Der Flugplatz ist auch ein Arbeitgeber für weit mehr als 800 Deutsche. Für die Region wird das erhebliche wirtschaftliche Folgen haben. Aus Vilseck in der bayerischen Oberpfalz am riesigen Truppenübungsplatz Grafenwöhr sollen 4500 Soldaten in die USA zurückverlegt werden. Auch diese Region wird dadurch hart getroffen.

Trump scheinen die wirtschaftlichen Folgen des Abzugs bewusst zu sein. „Jetzt sagt Deutschland, es sei schlecht für seine Wirtschaft“, sagt er am Mittwoch. „Nun, es ist gut für unsere Wirtschaft.“ Kritiker sehen hinter der Hau-Ruck-Entscheidung rein politische Motive. Am 3. November wird in den USA gewählt und in Umfragen sieht es derzeit nicht gut für Trump aus. Die Strafaktion für Deutschland kann möglicherweise auch von den Problemen ablenken, die Trump mit der Corona-Pandemie hat.

Doch ob der Truppenabzug tatsächlich so über die Bühne gehen kann wie angekündigt, ist unklar. Es gibt erheblichen Widerstand, auch bei Trumps Republikanern. Aus ihrer Sicht würde ein Abzug von US-Soldaten aus Deutschland auch die „Nationale Sicherheit der USA gefährden“, warnten der führende Republikaner im Auswärtigen Ausschuss des Repräsentantenhauses, Michael ­McCaul, und fünf seiner republikanischen Kollegen kürzlich in einem Brief an Trump. Im Kongress besteht Sorge, dass der Abzugsplan die Nato schwächen und Russland in die Hände spielen könnte.

Die Umsetzung der Pläne ist nicht nur eine logistische Herausforderung, sondern auch eine kostspielige Angelegenheit. Trump kann den Teilabzug als Oberbefehlshaber der Streitkräfte anordnen. Für die Umsetzung braucht er aber Geld. Sobald die Kosten klarer seien, werde man mit dem Kongress zusammenarbeiten, „um die Ressourcen zu bekommen“, sagte der stellvertretende Generalstabschef John Hyten. Der Kongress müsste die Gelder bewilligen – und das könnte die entscheidende Hürde sein. Die Kongressabgeordneten könnten Trumps Pläne über den Militärhaushalt blockieren oder wenigstens erschweren. Und es gibt eine weitere Unbekannte: Sollte Trump im November die US-Wahl verlieren, könnte sein Nachfolger die Pläne auf Eis legen.

Auch von Militärs werden die Abzugspläne kritisiert. Der frühere Befehlshaber der US-Truppen in Europa, Ben Hodges, nannte die Pläne am Dienstag auf Twitter erneut einen „kolossalen Fehler“. Die Entscheidung sei rein politisch motiviert und folge keiner Strategie. „Jetzt musste unsere militärische Führung nach geschaffenen Tatsachen einen ad-hoc-Plan ausarbeiten, um diese Ankündigung zu rechtfertigen.“

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