Die unendliche Geschichte

Augsburg. Die Geschichte des Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber scheint eine unendliche Geschichte zu sein. Vor 17 Jahren begannen die Ermittlungen gegen den ehemaligen Bitumen-Händler aus Kaufering, dessen Schmiergeldgeflecht auch die CDU-Parteispendenaffäre ausgelöst hat

Augsburg. Die Geschichte des Waffenlobbyisten Karlheinz Schreiber scheint eine unendliche Geschichte zu sein. Vor 17 Jahren begannen die Ermittlungen gegen den ehemaligen Bitumen-Händler aus Kaufering, dessen Schmiergeldgeflecht auch die CDU-Parteispendenaffäre ausgelöst hat. Doch rechtskräftig ist Schreiber noch immer nicht verurteilt - heute wird sein 2010 mit einer achtjährigen Haftstrafe wegen Steuerhinterziehung beendeter Prozess vor dem Landgericht Augsburg neu aufgerollt.Schreiber war die Schlüsselfigur in der CDU-Spendenaffäre und stürzte die Partei in die schwerste Krise ihrer Geschichte. Alles begann 1991 mit einem Koffer, den er dem damaligen CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep in der Schweiz in die Hand drückte. Der Inhalt: eine Million Mark in bar. Dem kamen die Steuerfahnder auf die Schliche. Die Affäre zog große Kreise.

Ende der 90er Jahre wurde es Schreiber mit seinen zahlreichen Schweizer Tarnkonten zu heiß. Erst tauchte er in die Schweiz ab, dann flüchtete er nach Kanada. Weil er neben der deutschen auch die kanadische Staatsbürgerschaft besitzt, wähnte er sich dort vor dem internationalen Haftbefehl in Sicherheit. Aus der Ferne kommentierte er die weitere Entwicklung der Affäre. Zehn Jahre lang verhinderte er mit verschiedenen juristischen Kniffen seine Auslieferung. Erst im Sommer 2009 kam er in Deutschland in Untersuchungshaft. In Augsburg wurde ihm 2010 der Prozess gemacht. Die Kammer verurteilte ihn zu acht Jahren Haft: Er habe für Flugzeug- und Panzergeschäfte rund 64,7 Millionen Mark Provisionen bekommen und diese nicht versteuert.

Schreiber, der am 25. März 1934 im thüringischen Petersdorf geboren wurde, kann ein munterer Plauderer und humorvoller Gesprächspartner sein. Vor allem aber ist er ein Taktiker. Informationen lässt er nur dann heraus, wenn er es für sinnvoll erachtet. Ansonsten kann er auch beharrlich schweigen, wie er im Augsburger Prozess bewies. In seinem Flucht-Exil Kanada hatte er noch getönt, vor einem deutschen Gericht werde er über verdeckte Spenden an die Union auspacken und die Republik erschüttern. Vor Gericht ließ er zwar Erklärungen verlesen und attackierte die CSU, lieferte aber keine Beweise für seine Anschuldigungen.

Ein Unrechtsbewusstsein für seine Taten lässt Schreiber nicht erkennen. Der frühere Rüstungsstaatssekretär Ludwig-Holger Pfahls gestand, von Schreiber mit 3,8 Millionen Mark geschmiert worden zu sein. Er schilderte den Mann, durch dessen Machenschaften er schließlich ins Gefängnis wanderte, einmal so: "Schreiber war kein Intellektueller, aber ein psychologischer Typ." Er könne gestresste Menschen auf andere Gedanken bringen. "Deshalb hat er auch Zugang zu Franz Josef Strauß gehabt." Schreiber nannte sich stets Strauß' Intimfreund und prahlt gern mit Kontakten in die höchsten Etagen der Wirtschaft.

Der Vorsitzende Richter in Augsburg, Rudolf Weigell, sagte in der Urteilsbegründung: "Der Angeklagte gehört zu der Spezies, die nur auf ihren Vorteil bedacht ist und jeden und alles schmiert, was nicht rund läuft, und dabei den Fiskus betrügt, wo es nur geht." Schreiber sei "raffgierig und maßlos, ein ganz Großer, jedenfalls was die Steuerhinterziehung betrifft".

Schreiber war früher ein vor Frechheit strotzender Mann, der mit Drohungen und Andeutungen auf die deutsche Politik Einfluss zu nehmen versuchte. Heute ist Schreiber krank und alt - und auch wenn er sich selbst noch für wichtig halten mag, ist er schon lange aus dem politischen Bewusstsein der meisten Menschen verschwunden. Wie sehr das Interesse an dem 78-Jährigen geschrumpft ist, zeigt auch die Raumplanung des Augsburger Landgerichts. Bisher waren dort alle Prozesse im so genannten Schreiber-Komplex im größten Sitzungssaal des Justizgebäudes verhandelt worden. Diesmal verhandelt das Gericht nur noch in einem kleinen Saal im dritten Stock des Gerichts.

Schreiber dürfte mit dem Fahrstuhl zum Prozess fahren. Er hatte im März im Gefängnis einen Herzinfarkt erlitten und musste wegen seiner angeschlagenen Gesundheit im Mai aus der Haft entlassen werden. So lebt er nun unter Hausarrest in Kaufering. Als zumindest eingeschränkt prozessfähig gilt Schreiber aber. Zwei Stunden vormittags und zwei Stunden nachmittags soll gegen ihn verhandelt werden.

Wie die Neuauflage des Prozesses ausgeht, ist nicht absehbar. Im für Schreiber besten Fall muss das Gericht die Steuerhinterziehung als Vorwurf fallen lassen. Im für ihn schlechtesten Fall bleibt die Steuerhinterziehung bestehen und gilt die Bestechung als nicht verjährt. Dann könnte Schreiber eine längere Haftstrafe als im ersten Prozess bekommen.

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