„Die SPD stabilisiert die Regierung“

840 Seiten Anträge – die SPD hat viel vor bei ihrem morgen beginnenden Parteitag in Berlin. Es geht um Flüchtlinge, Familienpolitik und das Freihandelsabkommen. SZ-Korrespondent Werner Kolhoff sprach mit Parteivize Thorsten Schäfer-Gümbel (46) über die aktuelle Positionierung der Sozialdemokraten und ihre anhaltende Schwäche in den Umfragen.

Trotz der Einbrüche der CDU in der Wählergunst stagniert die SPD . Woran liegt das?

Schäfer-Gümbel: Die Union hat in der Flüchtlingspolitik versucht, am rechten Rand Stimmung zu machen. Diese Strategie hat nur der AfD genutzt. Wir zeigen Verantwortung und setzen beharrlich um, was wir im Wahlkampf versprochen haben. Vom Mindestlohn, über Rente nach 45 Beitragsjahren bis Frauenquote und Mietpreisbremse. Und wir machen zur Bundestagswahl 2017 ein politisches Angebot für ein sicheres, gerechtes und weltoffenes Land.

Bei der Union schlägt sich in den Umfragen auch der Konflikt über die Flüchtlingspolitik von Angela Merkel nieder. Gibt es den bei Ihnen nicht auch?

Schäfer-Gümbel: Nein, die SPD stabilisiert die Regierung, auch in dieser Frage. In der Union herrschen doch Chaostage. CSU und CDU brauchen vielleicht noch keinen Scheidungsanwalt, ganz sicher aber einen Paartherapeuten.

Auch Ihre Landespolitiker fordern eine Obergrenze.

Schäfer-Gümbel: Stacheldraht und Mauern werden Menschen nicht davon abhalten, Frieden und Sicherheit zu suchen. Deswegen brauchen wir ein abgestimmtes System internationaler, europäischer, nationaler und regionaler Maßnahmen. Dazu liegen unsere Vorschläge auf dem Tisch. Innenpolitisch sorgt die SPD dafür, dass unterschiedliche gesellschaftliche Gruppen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Zum Beispiel nicht Mieter oder Mindestlohnbezieher gegen Flüchtlinge . Die Union zündelt da munter.

Die Union berät auf ihrem Parteitag am Wochenende über eine Integrationspflicht für Zuwanderer. Was halten Sie davon?

Schäfer-Gümbel: Ich halte vor allem viel von Integration, bloße Unterschriften bringen nichts. Das, was unsere Gesellschaft ausmacht, von der Gleichberechtigung der Frau über die Trennung von Kirche und Staat bis zum demokratischen System, muss allen vermittelt werden. Dazu gibt es Integrationskurse, darauf müssen wir setzen. Unser Grundgesetz gilt für alle.

Die Integration wird viel Geld kosten. Ist die Schwarze Null im Bundeshaushalt noch zu halten - muss sie überhaupt gehalten werden?

Schäfer-Gümbel: Angesichts sprudelnder Steuereinnahmen steht diese Debatte derzeit nicht an. Ich sehe die Schwarze Null allerdings nicht dogmatisch. Wir müssen Aufgaben erledigen, allen voran die Integration und Investitionen in die Zukunft, das steht im Vordergrund. Danach muss sich die Finanzpolitik richten und nicht umgekehrt. Jeder Euro, den wir jetzt nicht investieren, wird sich später rächen.

Die Bundeswehr steht an immer mehr Fronten im Antiterrorkampf. Gehört das auch zu den Aufgaben, für die man mehr Geld braucht?

Schäfer-Gümbel: Es stellt sich schon die Frage, ob die Bundeswehr angesichts ihrer vielen Aufgaben angemessen vorbereitet ist. In den vergangenen Jahren zeigte sich aber weniger ein Geldproblem als vielmehr ein Managementproblem. Deshalb muss die Bundesverteidigungsministerin erst einmal eine vernünftige Planung auf den Tisch legen. Oftmals scheint ihr die eigene Inszenierung wichtiger zu sein, als vernünftiges Handeln.

Wo ist für die SPD die rote Linie beim Syrien-Einsatz?

Schäfer-Gümbel: Es ist für die SPD völlig klar: Es wird mit uns keine deutschen Bodentruppen in Syrien geben. Die arabische Welt muss ihre Streitigkeiten überwinden, westliche Bodentruppen würden den Konflikt in Syrien nur verschlimmern.

Die Linke sagt konsequent Nein zu jedem Auslandseinsatz und jagt Ihnen so Wähler ab.

Schäfer-Gümbel: Militäreinsätze werden für uns niemals Normalität sein, und das sage ich auch als Sohn eines Zeitsoldaten. Sie bleiben immer die Ausnahme und die ultima ratio. Man kann Schuld auf sich laden, indem man solchen Einsätzen zustimmt. Man kann aber auch, und das ignoriert die Linke, Schuld auf sich laden, indem man wegschaut. Wir sagen unseren Wählern ehrlich, dass es in einer Welt in Aufruhr, wie wir sie derzeit haben, immer Lagen geben kann, wo militärische Mittel notwendig werden.

Auf dem SPD-Parteitag fordern die Frauen, künftig auf allen Ebenen auch Doppelspitzen zuzulassen. Was halten Sie davon?

Schäfer-Gümbel: In der Praxis gibt es in manchen Ortsvereinen bereits Lösungen aus Gründen der Arbeitsteilung, die auf Doppelspitzen hinauslaufen. Als verpflichtendes Prinzip hielte ich das für falsch. Wenn man auf Linke oder Grüne blickt, sieht man doch, dass Doppelspitzen eher Ausdruck nicht gelöster Identitäts- und Flügelfragen sind. Frei nach dem Motto, der eine Vorsitzende für die eine Meinung, die andere für die andere. Für eine Volkspartei wie die SPD ist das nicht zukunftsfähig.