Die SPD sieht die Koalition in Gefahr

Berlin · Die SPD hat mit scharfen Worten den geplanten Protestbrief der bayerischen Staatsregierung an Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) zur Flüchtlingspolitik kritisiert. „Das ist die Ankündigung des Koalitionsbruchs“, erklärte gestern SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann.

Dienstags tagen im Reichstag immer die Fraktionen, und seit der Flüchtlingskrise gibt es keinen Dienstag mehr ohne großen Krach. Meist zwischen CSU und CDU . Inzwischen spitzt sich der Streit der Schwesterparteien so zu, dass SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann dafür gestern nur noch ein Wort fand: Koalitionsbruch.

Oppermann bezog sich auf einen Brief an die Kanzlerin, den das CSU-geführte bayerische Kabinett gerade beschlossen hatte. Kern ist die Forderung nach einer Obergrenze von 200 000 Flüchtlingen pro Jahr, verbunden mit der Drohung, andernfalls vor das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe zu ziehen. Oppermann fiel dazu ein pikanter Vergleich ein: "Wenn man sich in einer Ehe nichts mehr zu sagen hat, schreibt man sich Briefe, wenn man klagt, ist es endgültig vorbei". Die Drohung sei die "Ankündigung des Koalitionsbruchs" seitens der CSU , fand der Sozialdemokrat. Dass Seehofer den Brief als Ministerpräsident schrieb, - so wie auch manche SPD-Landeschefs manchmal gegen Berlin opponieren - wischte Oppermann als unwesentliches Detail zur Seite. Und drohte gleich noch: "Zum Regieren wird die CSU nicht zwingend gebraucht." Tatsächlich wäre die Mehrheit von CDU und SPD allein ausreichend. Aber die Idee einer Spaltung der Union ist natürlich abwegig. Vorerst jedenfalls.

Das zeigte sich auch in der Fraktionssitzung der Union, wo CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt gleich nach Angela Merkel (CDU ) das Wort ergriff, den Brief aus München nicht erwähnte und Merkels Kurs weitgehend stützte. Wie sich überhaupt, berichteten Teilnehmer, diesmal vor allem Merkel-Getreue zu Wort gemeldet hätten. Vielen in der Union treibt es Seehofer inzwischen zu weit. "Das ist wirklich schlimm", sagte ein Abgeordneter. Eine Weile, meinte ein Unions-Regierungsmitglied im vertraulichen Gespräch, hätte die SPD in der Flüchtlingsfrage genervt, jetzt nur noch die CSU . Fraktionschef Volker Kauder sagte am Rande der Fraktionssitzung, beileibe nicht nur an die SPD gerichtet: "Ich appelliere an alle, verbal abzurüsten und sich darauf zu besinnen, dass die Menschen von der Koalition Lösungen erwarteten". Er wiederholte dann noch einmal die Worte "an alle".

Vor allem der Streit um das Asylpaket II nagt an der Stimmung. Es war im November vergangenen Jahres beim Koalitionsgipfel zwischen den drei Parteichefs eigentlich schon beschlossen worden und enthält so wichtige Vorhaben wie Registrierzentren, beschleunigte Verfahren, verschärfte Residenzpflicht und erleichterte Abschiebungen.

Doch die gesetzliche Umsetzung hakt vor allem am Familiennachzug und zwar, wie unsere Zeitung erfuhr, wieder an Bayern. Ursprung des Streits ist eine unklare Formulierung im November-Kompromiss. Für Antragsteller mit "subsidiärem Schutz" solle der Familiennachzug für zwei Jahre ausgesetzt werden, hieß es damals. Das ist die geringste Schutzkategorie. Die SPD hatte damals flugs erklärt, die Regelung betreffe allenfalls 2000 Syrer. Der Streit entstand, nachdem Innenminister Thomas de Maizière (CDU ) anordnete, künftig fast alle syrischen Flüchtlinge so einzustufen - womit sie ihre Familien nicht mehr hätten nachholen können. Das wurde zwar von der SPD gestoppt, doch gewann die CSU sofort Gefallen an der Idee.

Inzwischen gibt es einen Kompromiss zwischen Angela Merkel und de Maizière auf der einen und SPD-Chef Sigmar Gabriel auf der anderen Seite. Er sieht vor, den Nachzug der Familien nur noch ein Jahr auszusetzen, dafür aber einen größeren Teil der Syrer in die Regelung zu nehmen. Das ist insofern wenig dramatisch, weil die Antragstellung sowieso lange dauert. Diesen Kompromiss blockiert die CSU jedoch, weshalb das gesamte Asylpaket das Kabinett immer noch nicht passieren konnte. Überlegungen, wenigstens den Rest vorab zu beschließen, hat München ebenfalls abgelehnt. Morgen Abend wollen sich Gabriel und Merkel am Rande des Bund-Länder-Gipfels mit Seehofer treffen und versuchen, das Gesetz doch noch zu retten.

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