Die SPD im Trainingslager

Berlin. Als Konsequenz aus ihrem Absturz bei der letzten Bundestagswahl will sich die SPD in Zukunft wieder auf "Arbeitnehmerpolitik" konzentrieren. Das kündigte Parteichef Sigmar Gabriel gestern nach einer zweitägigen Vorstandsklausur in Berlin an. Vier Monate nach ihrem Wahldesaster sind die Sozialdemokraten immer noch mit sich selbst beschäftigt

Berlin. Als Konsequenz aus ihrem Absturz bei der letzten Bundestagswahl will sich die SPD in Zukunft wieder auf "Arbeitnehmerpolitik" konzentrieren. Das kündigte Parteichef Sigmar Gabriel gestern nach einer zweitägigen Vorstandsklausur in Berlin an. Vier Monate nach ihrem Wahldesaster sind die Sozialdemokraten immer noch mit sich selbst beschäftigt. Wie er denn die aktuelle Lage seiner Partei beurteile, wurde Gabriel von Journalisten gefragt. Seine Antwort fiel sportlich aus: "Wir sind nicht in der Rückrunde, wir sind weiter im Trainingslager." Es reiche nicht, die Regierung zu kritisieren. Die SPD brauche auch eine "Weiterentwicklung eigener Alternativen", meinte Gabriel.

Als ersten Schritt beschloss der Vorstand eine Kurskorrektur beim Thema Leiharbeit. Solche Tätigkeiten wurden in der rot-grünen Regierungsära massiv ausgeweitet. Dadurch kam es verstärkt zu Dumpinglöhnen. Nun will die SPD das Gesetz so ändern, dass der Beschäftigte nach einer "kurzen Einarbeitungszeit" im Entleihbetrieb grundsätzlich den gleichen Verdienst erhalten soll wie ein Stammbeschäftigter. Zugleich bekräftigte die Partei ihre Forderung nach einem Mindestlohn für die Branche.

Bis Ende März soll ein Gesamtkonzept zur Arbeitsmarktpolitik erarbeitet werden. Im Vorfeld der Klausur hatte Gabriel bereits angekündigt, die Ersparnisse von älteren Langzeitarbeitslosen für das Rentenalter künftig in vollem Umfang garantieren zu wollen. Bislang liegt das nicht anrechenbare Schonvermögen bei 250 Euro pro Lebensjahr. Im Gespräch ist darüber hinaus eine Verlängerung des Arbeitslosengeldes I, wenn der Betroffene an einer Qualifizierung teilnimmt. Zu den weiteren Beschlüssen zählt ein Arbeitsprogramm, das die Einrichtung verschiedener "Zukunftswerkstätten" etwa zur Belebung der Basisarbeit vorsieht. Seit 1990 hat die SPD immerhin 40 Prozent ihrer Mitglieder verloren.

Auf der Klausur legten Gabriel und Generalsekretärin Andrea Nahles auch ein Thesenpapier zur "Erneuerung der SPD" vor. Darin rechnen sie kritisch mit der Regierungsvergangenheit ihrer Partei ab. Der "neoliberale Mainstream", so heißt es dort, habe die Unterschiede zwischen Arm und Reich vergrößert und den Zusammenhalt der Gesellschaft beschädigt. "Auch unsere Politik hat diesen Trend nicht grundlegend aufhalten können."

Meinung

Roter Reparaturbetrieb

Von SZ-Korrespondent

Stefan Vetter

Der schwarz-gelbe Lack ist ziemlich stumpf geworden. Aber deshalb ist die SPD als größte Oppositionspartei noch längst keine strahlende Erscheinung. Davon zeugt ihre jüngste Vorstandsklausur in Berlin. Fortan verstehen sich die Genossen offenbar als Reparaturbetrieb ihrer eigenen Gesetze. Hartz IV im Prinzip ja, aber nur bei Abschaffung aller Beschränkungen des Schonvermögens für die Altersvorsorge. Das riecht nach einem populistischen Überbietungswettbewerb. Denn mit ihren beschlossenen Nachbesserungen ist die amtierende schwarz-gelbe Bundesregierung längst dabei, das Problem aus der Welt zu schaffen.

Auch bei den Forderungen der SPD zur Leiharbeit darf daran erinnert werden, dass es die Sozialdemokraten waren, die dem Niedriglohn-Sektor im Land Tür und Tor geöffnet haben.

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