"Die SPD betreibt Wählertäuschung"

Frau Wagenknecht, Ihre Parteivorsitzende Katja Kipping findet, ein Verdienst von 40 000 Euro im Monat sei genug, alles darüber hinaus gehöre wegbesteuert. Denken Sie auch so?Wagenknecht: Unsere Partei fordert einen Spitzensteuersatz von 75 Prozent auf Einkommen ab einer Millionen Euro sowie eine einmalige Krisenabgabe von 30 Prozent auf Millionenvermögen

Frau Wagenknecht, Ihre Parteivorsitzende Katja Kipping findet, ein Verdienst von 40 000 Euro im Monat sei genug, alles darüber hinaus gehöre wegbesteuert. Denken Sie auch so?Wagenknecht: Unsere Partei fordert einen Spitzensteuersatz von 75 Prozent auf Einkommen ab einer Millionen Euro sowie eine einmalige Krisenabgabe von 30 Prozent auf Millionenvermögen. Worauf Katja Kipping hingewiesen hat, ist die wachsende Kluft in der Einkommensverteilung. Als der Dax 1987 gegründet wurde, lag der Einkommensunterschied zwischen einem Normalverdiener und den Vorständen bei 1 zu 15, heute bei weit über 1 zu 50.

Das heißt, es muss nur extrem von oben nach unten umverteilt werden, und alle Ungerechtigkeiten dieser Welt sind beseitigt?

Wagenknecht: Das wäre etwas schlicht. Aber wir wollen uns nicht damit abfinden, dass immer mehr Menschen von ihrer Arbeit nicht mehr leben können, während andere für zweifelhafte Leistungen in Millionen gebadet werden. Beides hängt ja zusammen.

Die obersten zehn Prozent auf der Einkommensskala sorgen für 50 Prozent des Steueraufkommens. Ist das nichts?

Wagenknecht: Das ist eine Legende. Rund die Hälfte des Steueraufkommens in Deutschland resultiert aus Verbrauchssteuern wie etwa der Mehrwertsteuer. Und die zahlen auch Geringverdiener und Rentner. Die von Ihnen genannte Zahl bezieht sich ausschließlich auf die Einkommensteuer. Da ist der hohe Anteil der Spitzenverdiener nicht verwunderlich, denn ihr Anteil am gesamten Einkommen ist ja auch extrem hoch.

Die Linke hat gegen den Euro-Rettungsschirm geklagt. Was hat das mit internationaler Solidarität zu tun, die Ihre Partei gern hochhält?

Wagenknecht: Wenn die Rettungspakete tatsächlich helfen würden, die Wirtschaftskrise in Griechenland, Portugal oder Spanien zu bewältigen, dann wären wir sehr dafür. Aber die Krise in diesen Ländern ist seit Beginn der vermeintlichen Rettung immer schlimmer geworden. Die Rettungsmilliarden fließen nahezu vollständig an Banken, Hedgefonds und reiche Privatanleger. Diese Art "Solidarität", die Investoren Verluste abnimmt, lehnen wir ab.

Warum ist die Kanzlerin dann besonders wegen ihrer Euro-Politik in der Bevölkerung beliebt?

Wagenknecht: Angela Merkel vermittelt den Leuten den Eindruck, sie würde das Geld zusammenhalten. Doch das ist falsch. Deutschland ist bereits extreme Risiken eingegangen. Wir bürgen inzwischen für etwa 400 Milliarden Euro. Wenn sich die Krise weiter zuspitzt, wie nicht nur im Falle Griechenlands zu befürchten ist, haben wir Milliardenkosten am Hals.

Wer soll nach Ihrer Meinung für Griechenland geradestehen?

Wagenknecht: Die griechische Oberschicht, die von dem korrupten System profitiert hat.

Aber deren Geld ist doch längst im Ausland.

Wagenknecht: Das Gerede, man komme an das Geld der Reichen nicht ran, ist pure Heuchelei. Die USA haben Schweizer Banken unter Druck gesetzt, solche Transaktionen offenzulegen. Und es hat funktioniert. Das könnte die Euro-Zone genauso tun.

Wie sähe ein Euro-Rettungsschirm der Linken aus?

Wagenknecht: Alle Staatsschulden, die auf Bankenrettungen zurückgehen, sollten gestrichen werden. Wir brauchen zweitens eine europaweite Vermögensabgabe für Millionäre. Mit beidem lassen sich die Staatsschulden wieder auf 50 bis 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts drücken. Und drittens sollten die Staaten direkt bei der Europäischen Zentralbank Kredit bekommen, statt auf die Banken angewiesen zu sein, die sich das Geld für 0,75 Prozent bei der EZB holen und es für sechs bis sieben Prozent an Spanien weitergeben.

Auch die SPD setzt auf mehr Gerechtigkeit und eine Bändigung der Finanzmärkte. Halten Sie eine gemeinsame Regierung auf Bundesebene für realistisch?

Wagenknecht: Die SPD hat kategorisch ausgeschlossen, mit uns zu regieren. Solange das so bleibt, ist das Linksblinken von Gabriel und Co. reine Wählertäuschung. Was die SPD ankündigt, von der Regulierung des Bankensektors über eine Vermögenssteuer bis zum gesetzlichen Mindestlohn, wird sie mit CDU oder FDP nicht umsetzen können. Mit uns schon.

Hintergrund

Mehrere 10 000 Teilnehmer in rund 50 Städten erwartet das Bündnis "Umfairteilen" zu seinem bundesweiten Aktionstag am Samstag. Die dort vertretenen Organisationen und Sozialverbände fordern eine dauerhafte Vermögenssteuer sowie eine einmalige Vermögensabgabe. Auch im Saarland beteiligt sich das Bündnis an dem Aktionstag. Los geht es um 11 Uhr vor der Europa-Galerie in Saarbrücken. Bei der Kundgebung sprechen Verdi-Chef Alfred Staudt, Occupy-Aktivistin Adrienne Langner und Hans-Jürgen Stuppi vom Paritätischen Wohlfahrtsverband. Unterstützt wird das Bündnis im Saarland auch von der Linken, der SPD und den Grünen. kna/red

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