Die Sozialdemokraten hadern mit sich selbst
Berlin. Gute Stimmung sieht anders aus. Beim Frühjahrsempfang der SPD-Fraktion unter der Kuppel des Reichstages meinte der Vorsitzende Frank-Walter Steinmeier (Foto: dapd) am Montagabend zwar, wer hart arbeite, dürfe auch feiern, doch gab es keine rechte Festlaune. In den Gesprächen wurde viel Frust abgeladen
Berlin. Gute Stimmung sieht anders aus. Beim Frühjahrsempfang der SPD-Fraktion unter der Kuppel des Reichstages meinte der Vorsitzende Frank-Walter Steinmeier (Foto: dapd) am Montagabend zwar, wer hart arbeite, dürfe auch feiern, doch gab es keine rechte Festlaune. In den Gesprächen wurde viel Frust abgeladen. Über die Führung, die entweder "zu behäbig" (gemeint: Steinmeier) oder "zu sprunghaft" agiert (gemeint: Parteichef Sigmar Gabriel), über die Pressestelle, die nicht dafür sorge, dass man mehr in den Medien vorkomme und über die Medien selbst, die nur noch über die Grünen schreiben würden. "Es gärt", sagte einer. "Wenn das so weitergeht, explodiert es noch."Ein bisschen ist es schon vor einer Woche explodiert, als Ex-Finanzminister Peer Steinbrück in der Fraktionssitzung sagte, Politiker, die "von Tatsachen unbeeindruckt" Kommentare abgäben, trügen zum Politikverdruss bei. Und das habe die SPD am Wahlabend getan, als sie die mageren 23,1 Prozent von Baden-Württemberg und den 9,9-Prozent-Rückgang in Rheinland-Pfalz zum Erfolg umdichtete.
Parteichef Gabriel fühlte sich zurecht angesprochen und konterte unter Hinweis auf die Regierungsbeteiligungen in beiden Ländern. Mit keinem Wort ging er darauf ein, dass die Grünen erstmals in einem Land vor der SPD lagen, und in der letzten Forsa-Umfrage sogar bundesweit. Ein Vorgang, der, so ein Fraktionsmann, "bei uns ziemlich reingehauen hat". Die Basis wird nervös, die Führung beschäftigt sie aber mit Arbeit. Im Parteivorstand lässt Gabriel praktisch monatlich weitere Kapitel des "Neuer Fortschritt" genannten Zukunftsprogramms erläutern. Letzten Montag die Gesundheit, nach Ostern sind die Steuern dran.
Und in der Fraktion arbeitet Steinmeier parallel an einem "Zukunftsplan Deutschland 2020", was eine Art Regierungsprogramm werden soll. Dazu hat er sieben "Querschnittsthemen" definiert, von Integration bis Infrastruktur, Ganztagsschulen bis Gleichstellung, und er hat sieben meist junge Abgeordnete benannt, die sie bearbeiten sollen. Nachwuchsförderung und Themenkonkurrenz zu den Grünen. Die Fraktion billigte gestern die Struktur.
Allerdings wird so die zweite Reihe weiter aufgebläht. Dabei gibt es schon jetzt neun stellvertretende Fraktionsvorsitzende, von denen auch jeder ein Themenfeld bearbeitet, oft das gleiche. "Wir koordinieren uns noch zu Tode", sagt ein Abgeordneter, der ein Unter-Thema verantwortet. Auch wird kritisiert, dass die meisten Stellvertreter außerhalb des Sitzungssaals völlig unbekannt sind. Doch sind Vorstöße, die Zahl zu verringern, mit der gestrigen Entscheidung fürs Erste erledigt.
Doch der Frust wächst, Respekt und Logik schwinden. Ex-Justizministerin Brigitte Zypries scheiterte letzte Woche mit ihrem von Steinmeier unterstützten Vorhaben, Vize-Fraktionschefin für Inneres und Justiz zu werden, als Nachfolgerin von Olaf Scholz. Immerhin wäre sie mal eine bekannte Figur in der zweiten Reihe gewesen. Doch nominiert und gestern gewählt wurde die Hessin Christine Lambrecht. Das führte schon beim Frühjahrsempfang zu dem Kommentar, "dass wir mit der in den Medien sicher keinen Stich machen werden".