Die Sorge vor der nächsten Krise

Brüssel · Griechenland stand gestern wieder auf der Tagesordnung der EU-Finanzminister. Dem Land droht eine neue finanzielle Krise. Doch damit stehen die Griechen in Europa nicht allein da. Ein Überblick über die Krisenstaaten.

Die Sorgenfalten der Euro-Finanzminister waren erkennbar tiefer geworden, als sie gestern zu ihrer turnusmäßigen Sitzung nach Brüssel kamen. Das griechische Problem liegt wieder auf dem Tisch. Am kommenden Montag werden die Kontrolleure der Geldgeber ("Troika") zum ersten Mal seit Inkrafttreten des dritten Hilfspaketes nach Athen reisen, um die Fortschritte zu überprüfen. Dass sie in einigen Monaten einen positiven Zwischenbericht an die Finanzminister der Währungsunion schicken, scheint nicht ausgeschlossen. Sogar das große Reizthema Rentenreform mache Fortschritte, hieß es gestern in Brüssel . Zwar wisse Premier Alexis Tsipras immer noch nicht, wie er das umstrittene Vorhaben, das Kürzungen von durchschnittlich 15 Prozent aller neuen Renten sowie die Erhöhung der Arbeitgeber- und Arbeitnehmer-Anteile vorsieht, durch das Parlament bringen und gegen die angekündigten Demonstrationen verteidigen solle.

Eurogruppen-Chef Jeroen Dijsselbloem signalisierte aber wenigstens schon mal die Unterstützung der übrigen Euro-Partner: "Das ist ein ernsthafter Vorschlag", lobte er den Plan der Regierung Tsipras. Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble betonte, man könne die Überprüfung "in Ruhe" abwarten, Griechenland habe "keinen unmittelbaren Finanzbedarf".

Dass die Sache auf einem guten Weg ist, hatte die EU-Kommission bereits in ihren jüngsten Konjunkturprognose Anfang Februar betont. Demnach steht den Hellenen zwar noch ein schwieriges Jahr 2016 mit einem weiteren Abbröckeln des Wachstums um 0,7 Prozent bevor, 2017 aber soll es um 2,7 Prozent nach oben gehen und auch der Schuldenstand werde dann von 185 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung auf 181,8 Prozent erstmals zurückgehen. Für den Euro-Raum steht viel auf dem Spiel, denn nicht nur Griechenland gehört weiter zu den Sorgenkindern. Mehr noch: Der Überblick über die Entwicklung in den Krisenstaaten zeigt, dass einige trotz der Milliarden-Hilfen aus dem Rettungsschirm nicht vorankommen. Wer gehört zu den Gewinnern, wer zu den Verlierern?

Irland: Dublin musste 2010 als erster Euro-Staat Geld vom Rettungsschirm in Anspruch nehmen. Insgesamt stellten die Euro-Partner 85 Milliarden Euro bereit. Die Regierung hatte für die gewaltigen Schulden der Banken gebürgt und war daraufhin an den Rand der Pleite gerutscht. Drei Jahre später verließ Irland den Rettungsschirm wieder, 2014 wuchs die Wirtschaft um 5,2 Prozent, 2015 noch einmal um 6,9 Prozent - im nächsten Jahr lässt der Zuwachs nach. Die Arbeitslosigkeit verharrt dagegen auf hohem Niveau und sinkt derzeit nur geringfügig um 1,3 in diesem und 0,8 Prozent im nächsten Jahr. Ende des Monats wird gewählt, die Regierung könnte eine Quittung erhalten.

Spanien: Nachdem die Immobilienblase 2007 geplatzt war, rutschte Spanien immer tiefer in eine Staatsschuldenkrise, verzichtete aber auf Hilfen von den Euro-Notkassen. Lange wurden Reformen verschleppt, die Arbeitslosigkeit erreichte schwindelnde Höhen: Zeitwiese war jeder zweite junge Spanier unter 24 Jahren ohne Job. 2015 zog das Wachstum um 3,2 Prozent an, in diesem Jahr dürften es plus 2,8 Prozent werden - Tendenz weiter zunehmend. Die Arbeitslosigkeit , die 2014 noch bei 24,5 Prozent lag, geht bis Ende nächsten Jahres auf 18,9 Prozent zurück. 2017 wird Madrid seine Neuverschuldung erstmals wieder unter drei Prozent drücken können. Portugal: Gerade erst hat die EU-Kommission den umstrittenen Haushalt der neuen linken Regierung gebilligt - zähneknirschend, denn das Land schafft es auch in diesem Jahr nicht, die Neuverschuldung unter EU-konforme drei Prozent zu drücken: 3,4 Prozent werden es 2016 werden, 3.5 Prozent 2017. Das größte Problem aber ist die Verschuldung der öffentlichen Haushalte, die Ende 2015 bei 129,5 Prozent lag. Nun will die linke Regierung die indirekten Abgaben auf Benzin, Zigaretten, Autos und Grundbesitz anheben, um ihre Einnahmen zu verbessern. Das Wachstum verharrt bei 1,6 Prozent im laufenden und 1,8 Prozent im nächsten Jahr.

Italien: Auch wenn Italien nie Geld von den Rettungsschirmen bekam, gehört Rom doch seit Langem zu den Wackelkandidaten. Und daran hat sich wenig geändert. Das größte Problem sind die Banken. Aus Mailand wurden bereits Panikverkäufe von Anlegern gemeldet, denn seit Jahresbeginn gab der Kurs der Großbank Unicredit um 38 Prozent nach. Zu viele Geldhäuser tragen noch die Lasten fauler Kredite in ihren Bilanzen. Außerdem hat Premier Matteo Renzi notwendige Sozialreformen lange hinausgezögert. Italiens Problem ist die hohe öffentliche Verschuldung, die 2016 wohl 132,4 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung betragen dürfte. Das Wachstum liegt mit plus 1,4 und 1,3 Prozent in diesem und im kommenden Jahr im europäischen Durchschnitt.

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