Die „Schwarze Null“ wackelt

Berlin · Vergangene Woche hatte der Bundestag den ersten Haushalt seit 40 Jahren ohne Neuverschuldung beschlossen. Doch mittelfristig seien neue Schulden schwer zu vermeiden, stellt der Bundesrechnungshof fest.

Steht die "Schwarze Null" von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU ) auf tönernen Füßen? Die Risiken für einen nachhaltig ausgeglichenen Haushalt seien "beträchtlich", sagte der Präsident des Bundesrechnungshofes, Kay Scheller, gestern bei der Vorstellung des Jahresberichts der Behörde. Denn es würden konjunkturell bedingte Entlastungen herangezogen, "um neue und auf Dauer angelegte Belastungen zu finanzieren".

Letzte Woche hatte der Bundestag den ersten Etat ohne Neuverschuldung seit mehr als 40 Jahren verabschiedet. Tatsächlich weist die Finanzplanung des Bundes durchweg ausgeglichene Haushalte auf. Der Bundesrechnungshof hat daran jedoch massive Zweifel. Gleich vier Unsicherheitsfaktoren hat Scheller ausgemacht:

Zinslast: Es sei nicht zu erwarten, dass die Zinssätze so niedrig blieben, erläuterte Scheller. Seine Behörde geht von zusätzlichen Kosten in Höhe von 3,2 Milliarden Euro pro Jahr aus. Nach wie vor schiebt der Bund Schulden von 1,3 Billionen Euro vor sich her.

Steuern: Zwar sprudeln die Steuerquellen noch üppig, aber mit der jüngsten Steuerschätzung wurden die Erwartungen bereits nach unten korrigiert.

Einmaleffekte: Wegen der guten Finanzlage der Krankenkassen spart der Bund beim Zuschuss. "Mittelfristig dürfte der Finanzbedarf hier wieder steigen", prophezeite Scheller.

Extra-Belastungen: Laut Bundesrechnungshof stehen 15 Milliarden Euro an eingeplanten Überschüssen für die Jahre 2015 bis 2017 nicht mehr zur Verfügung, weil die Regierung zusätzliche Ausgaben zum Beispiel für Bildung und Forschung beschlossen hat. Auch die Mütterente und Rente mit 63 würden sich im Bundeshaushalt niederschlagen.

Insgesamt attestierte Scheller dem Bundeshaushalt eine "strukturelle Schieflage". Denn während die Sozialausgaben bis Ende 2018 von jetzt 153 auf 183 Milliarden Euro kletterten, gehe die Investitionsquote im gleichen Zeitraum von 8,9 auf 8,3 Prozent zurück.

Umso erstaunlicher, dass der Bund nach wie vor sorglos mit Steuergeldern umgeht. Dazu listet der Bundesrechnungshof wieder zahlreiche Beispiele auf. So blieb etwa beim Neubau der Eisenbahnstrecke zwischen Nürnberg und Erfurt ein Sparpotenzial von 35 Millionen Euro ungenutzt, weil das Bundesverkehrsministerium nicht auf einheitliche technische Vorschriften gedrängt hatte. Ärgerlich auch, dass deutsche Rentner mit Sitz im Ausland wegen der fehlenden Amtshilfe vor Ort ihre Altersbezüge nicht beim deutschen Fiskus versteuern. Deshalb müsse die Steuer gleich vom deutschen Rentenversicherer abgezogen werden.

In manchen Fällen sind die Experten aber auch schon vorbeugend aktiv. So plant die Marine für 11,2 Millionen Euro eine Testanlage für die Triebwerke ihrer Flugzeuge. Dafür könne aber weder Wirtschaftlichkeit noch Notwendigkeit nachgewiesen werden.

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