Die Schlüsselfigur im Fall Wulff heißt Glaeseker

Seit gestern richten sich im Fall Wulff die Blicke noch stärker als sonst auf den 51-jährigen Olaf Glaeseker, den früheren Vertrauten und Sprecher des ehemaligen Bundespräsidenten. Denn jetzt ist klar: Der weitere Verlauf in der Wulff-Affäre hängt entscheidend von ihm ab

Seit gestern richten sich im Fall Wulff die Blicke noch stärker als sonst auf den 51-jährigen Olaf Glaeseker, den früheren Vertrauten und Sprecher des ehemaligen Bundespräsidenten. Denn jetzt ist klar: Der weitere Verlauf in der Wulff-Affäre hängt entscheidend von ihm ab. Die Staatsanwaltschaft Hannover hat nach nunmehr acht Monaten Ermittlungsarbeit einen Zwischenstand präsentiert, in Form einer vierseitigen Presseerklärung. Darin wird erwähnt, dass man bei der Aufklärung in Sachen Glaeseker schon recht weit ist. Es geht darum, ob der frühere Regierungssprecher bestechlich war, als er bei der Organisation von drei Eventabenden namens "Nord-Süd-Dialog" - zwischen 2007 und 2009 - mitgewirkt hatte. Immerhin wurde Glaeseker vom Veranstalter Manfred Schmidt, der kräftig daran verdiente, später zu Urlaubsreisen eingeladen. Reicht das schon zu Bestechung und Bestechlichkeit?

Für Wulff ist die Botschaft aus der Pressemitteilung der Staatsanwaltschaft auf den ersten Blick entlastend. Bislang stand die Vermutung im Raum, die Justiz werde ihre Ermittlungen zum Verdacht der Vorteilsannahme ausdehnen auf die Beziehungen zum Versicherungskonzern Talanx. Für dessen Belange hatte sich Wulff als Ministerpräsident politisch eingesetzt, auf der anderen Seite verbrachten die Wulffs im Frühjahr 2008 ihre Flitterwochen in einem Ferienhaus des Talanx-Aufsichtsratsvorsitzenden. War das nun eine Gegenleistung für Wulffs politische Dienste? Die Staatsanwälte sehen das, wie sie jetzt mitteilen, nicht so. Der Urlaub in der Toskana kurz nach der Hochzeit habe "einen plausiblen privaten Anlass", und das Wirken Wulffs für Talanx habe "standortpolitischen Entscheidungen entsprochen".

Ist das also ein Freispruch für Wulff? Sicherlich nicht. Seit Februar schon erregen die Beziehungen Wulffs zum Filmunternehmer David Groenewold das Interesse der Justiz. Für die Filmbranche und damit auch für Groenewolds Firmen hatte sich Wulff politisch eingesetzt, außerdem bekam eine Groenewold-Firma Ende 2006 eine Landesbürgschaft über vier Millionen Euro zugesprochen.

Auf der anderen Seite fallen bei den Wulffs eine Übernachtung beim Oktoberfest in München und zwei Sylt-Urlaube 2007 und 2008 ins Gewicht. Hier steht der Vorwurf im Raum, Groenewold habe diese Aufenthalte Wulff, der ständig knapp bei Kasse war, zumindest teilweise spendiert. Wulff bestreitet das, will von Groenewold vorgestreckte Auslagen später bar erstattet haben. An dieser Version wiederum zweifeln die Ermittler. Wieso hatte Wulff größere Summen Bargeld (bis zu 3000 Euro) verfügbar, wenn auf der anderen Seite sein Girokonto stets im Minus war. Im Sommer 2008 soll sein Konto um mehr als 12 000 Euro im Soll gestanden haben. Die Staatsanwaltschaft erklärt, Bargeldgeschäfte seien "schwer zu überprüfen". Man müsse die "Motivlage der Beschuldigten" ergründen.

Wer aber weiß am besten über die Motivlage von Wulff Bescheid? Das müsste Glaeseker sein, der über viele Jahre dessen engster Vertrauter war. Einer, der auch in privaten Dingen stets geholfen hat. Die Staatsanwaltschaft hat sicher ein großes Interesse an einer Aussage Glaesekers zu Wulff und Groenewold. Spekuliert wird nun über eine mögliche Vereinbarung zwischen Glaeseker und der Justiz: Wenn das Strafverfahren gegen den Ex-Sprecher rasch abgeschlossen werden könnte, hätte er kein Zeugnisverweigerungsrecht in dem Wulff-Verfahren mehr. Er müsste also auspacken. Die Bereitschaft Glaesekers zu einem solchen Vorgehen dürfte allerdings stark vom Ausgang der Ermittlungen gegen ihn selbst abhängen. Hat sich Glaeseker vom Eventmanager Manfred Schmidt bestechen lassen? Der Beschuldigte wird betonen, mit Schmidt über Jahrzehnte eng befreundet zu sein. Gegenseitige Einladungen zu Urlauben hätten also keinen Zusammenhang zum dienstlichen Kontakt beim "Nord-Süd-Dialog" gehabt. Die Staatsanwaltschaft dürfte entgegnen, dass die Geschenke üppig gewesen seien und man dies nicht als Freundschaftsdienst abtun könne.

Bisher deutet viel darauf hin, dass Glaeseker einen Strafbefehl nicht akzeptieren würde, höchstens eine Einstellung des Strafverfahrens gegen eine entsprechende Geldbuße. Werden sich Staatsanwaltschaft und Glaeseker nicht einig, so drohen wohl eine Anklage und ein Prozess, der vermutlich erst im nächsten Jahr, nach der Landtagswahl im Januar, starten dürfte. Aus der Mitteilung der Justizbehörde folgt, dass die Überprüfungen der Vorwürfe gegen den ehemaligen Bundespräsidenten noch reichlich Zeit benötigen. Ein Abschluss vor der Landtagswahl ist wenig wahrscheinlich. Damit belastet das Thema die regierende CDU, die bei jeder neuen Schlagzeile über Wulff an ihr ungeklärtes Verhältnis zum einstigen Spitzenpolitiker erinnert wird: Jahrelang war er ihre Leitfigur, ein äußerst erfolgreicher Regierungschef. Immer deutlicher aber wird, wie widersprüchlich die Persönlichkeit dieses Menschen tatsächlich war.Foto: Treblin/dapd

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