„Die russische Okkupation schreitet fort“

A cht Jahre nach dem Kaukasus-Krieg ist in Georgien die Furcht vor einer russischen Annexion der Provinzen Südossetien und Abchasien weiterhin groß. SZ-Redakteurin Iris Neu sprach mit dem georgischen Außenminister Mikheil Janelidze (34), der gestern im Saarland war. Janelidze besuchte 1996/97 die Hochwaldschule i n Wadern.

Herr Minister, das Saarland und Georgien verbinden seit langem freundschaftliche Beziehungen. . .

Janelidze: Ja, wir können stolz auf die lange Geschichte unserer Zusammenarbeit sein. Seit mehr als 40 Jahren gibt es etwa die Partnerschaft zwischen Tiflis und Saarbrücken. Intensive Zusammenarbeit gibt es auch zwischen der Saar-Universität und der Staatlichen Universität Tiflis - so etwa beim Studentenaustausch oder in den Fakultäten Physik, Informatik, Rechtswissenschaften .

Zurzeit ist es um Georgien relativ still. Würden Sie sagen, das ist ein gutes oder eher schlechtes Zeichen?

Janelidze: Ja, glücklicherweise ist es ruhig in Georgien, das ist gut für die Entwicklung des Landes und vor allem dafür, dass wir unsere europäische Agenda nach vorne bringen können. Wir haben das Assoziierungsabkommen mit der Europäischen Union unterschrieben, das auch das Freihandelsabkommen einschließt. Dennoch ist keineswegs alles rosig in unserer Region: Die russische Okkupation georgischer Gebiete schreitet fort.

Sie haben es angesprochen: Die Krim-Annexion 2014 dürfte Georgien ein Déjà-vu-Erlebnis beschert haben. Russland zeigt ja offenbar auch weiterhin Präsenz in den Provinzen Südossetien und Abchasien. Wie groß sind die Befürchtungen, was Moskaus Interessen betrifft?

Janelidze: Die Befürchtungen groß. Abchasien und Südossetien sind untrennbare Teile des georgischen Territoriums, beide wurden 2008 durch Russland besetzt. Es gab dort ethnische Säuberungen, georgische Einheimische wurden von dort vertrieben, ihre Häuser wurden zerstört. Leider gibt es keine internationale Mission, die sich dort um eine Bestandsaufnahme der Menschenrechte kümmert. Und die Beobachtermission der EU vor Ort wird am direkten Zugang zu diesen Gebieten gehindert. Derweil unternimmt Russland täglich Schritte zur Einverleibung dieser Gebiete: Pässe werden an georgische Bürger verteilt, mit Behörden Verträge zur Integration geschlossen.

Aber dennoch unterhält Ihr Land Beziehungen zu Russland.

Janelidze: Seit 2012 besteht ein informeller Dialog mit Russland, der sich mit wirtschaftlichen Fragen beschäftigt und darauf gerichtet ist, die Beziehungen zu deeskalieren.

Sie haben bereits das Assoziierungsabkommen mit der EU angesprochen: Was genau erwartet Georgien von Europa?

Janelidze: Tatsächlich ist Georgien Teil Europas. Derzeit beschäftigen wir uns damit, die Vereinbarungen des Abkommens zu erfüllen, um noch näher an die EU heranzurücken. Wir führen europäische Institutionen und Standards ein und bekommen dabei Hilfe, bei der Deutschland eine große Rolle spielt. Unser ultimatives Ziel ist eine Mitgliedschaft in der EU.

Georgien strebt auch eine Nato-Mitgliedschaft an. Das dürfte die Spannungen mit Russland eher weiter verschärfen.

Janelidze: Wir arbeiten schon jetzt eng mit der Nato zusammen. Unser Ziel ist es ja nicht, uns gegen jemanden zu richten, sondern Sicherheit zu gewährleisten. Wir wollen Mitglied dieser Gemeinschaft sein, weil wir ihre Werte teilen: Menschenrechte , Freiheit und freie Entscheidungen.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort