Die Revolte gegen Blatter blieb aus
Kurz nach seiner deutlichen Rücktritts-Forderung an Joseph Blatter sah sich Michel Platini selbst in die Enge gedrängt. Belagert von zig Kamerateams versuchte Europas Fußball-Chef, im Aufzug eines Züricher Nobelhotels zu seinen Uefa-Kollegen zu gelangen - und musste wegen streikender Technik die Treppe nehmen.
Ein Bild mit Symbolcharakter: Am Tag nach Bekanntwerden des neuen Fifa-Skandals und der machtvollen Uefa-Androhung, den Wahlkongress des Weltverbandes zu boykottieren, verfehlte Platini auch auf fußballpolitischer Bühne sein Ziel.
Blatter war - offenbar zur ehrlichen Überraschung einiger Vertreter aus Europa - trotz der weltweiten Empörung über die jüngsten Enthüllungen nicht zu einem Rückzug oder zumindest einem Verschieben des Kongresses zu bewegen. "Für die Zukunft der Fifa bitte ich dich, heute zurückzutreten, ich bitte dich, die Fifa zu verlassen", habe er Blatter gesagt, berichtete Platini gestern und meinte: "Aber es ist zu spät."
Immer wieder erinnerte der Franzose daran, welch Freundschaft ihn einmal mit dem skandalumwitterten Blatter verbunden habe. Vorbei - spätestens seit der Schweizer sein Wort brach und doch die Kandidatur für eine nun wieder äußerst wahrscheinliche fünfte Amtszeit bekannt gegeben hatte. Und doch schienen Platini die harschen Worte über den Skandal mit sieben festgenommenen Fußball-Funktionären in Zürich schwer zu fallen. "Ich bin entsetzt, enttäuscht. Ich habe keine Worte, zu viel ist zu viel", sagte der frühere Weltklasse-Fußballer zu der Korruption rund um die Fifa. "Ich finde das wahnsinnig abstoßend."
Europas Anti-Blatter-Fraktion wird den Fifa-Kongress und die Präsidentschaftswahlen heute nicht boykottieren und stattdessen Prinz Ali bin al-Hussein unterstützen. "In meinen Augen bleibt Blatter Favorit, aber die Unbekannte ist, wie reagieren die anderen auf die Dinge, die am Mittwoch passiert sind", sagte DFB-Präsident Wolfgang Niersbach zu den Chancen des kandidierenden Jordaniers.
Für Blatters Wahlsieg schloss Platini drastische Maßnahmen auf einer bislang nicht gekannten Eskalationsstufe bis hin zu einem WM-Boykott nicht aus. Bei einer Sondersitzung rund um das Champions-League-Finale in Berlin werde man in der kommenden Woche "alle Möglichkeiten ins Auge fassen", sagte er. Auf eine entsprechende Nachfrage konkretisierte der Chef der Europäischen Fußball-Union, dass er einen WM-Boykott nicht ankündige, aber dass es "demokratische Entscheidungen" der Landesverbände geben werde. Eine weitere Option ist laut Platini offenbar ein kollektiver Austritt der europäischen Mitglieder aus dem FIFA-Exekutivkomitee.
Am Ende einer emotionalen, mehr als halbstündigen Pressekonferenz schloss Platini mit einem einzigen frommen Wunsch: "Ich hoffe auf ein ruhiges Wochenende!" Auf eine sensationelle Niederlage Blatters wird auch der Franzose im tiefsten Innern nicht mehr setzen.