"Die Reserven sind für schlechte Zeiten"

Frau Pfeiffer, warum sollen die Versicherten nicht von den üppigen Rücklagen profitieren?Pfeiffer: Weil wir damit rechnen, dass die Ausgaben der Kassen in den nächsten Jahren deutlich steigen werden. Insgesamt gibt es jetzt im System Reserven, die den Kassenausgaben für gerade einmal 29 Tage entsprechen

Frau Pfeiffer, warum sollen die Versicherten nicht von den üppigen Rücklagen profitieren?Pfeiffer: Weil wir damit rechnen, dass die Ausgaben der Kassen in den nächsten Jahren deutlich steigen werden. Insgesamt gibt es jetzt im System Reserven, die den Kassenausgaben für gerade einmal 29 Tage entsprechen. Rund drei Viertel des Finanzpolsters sind auch noch durch gesetzlich vorgeschriebene Rücklagen gebunden. Es wäre also verfehlt, das Geld einfach unter die Leute zu bringen. Die Überschüsse sind ja auch nicht verloren, sondern eine Reserve für wirtschaftlich schlechtere Zeiten.

Das dürfte die Versicherten kaum trösten.

Pfeiffer: Das sehe ich anders. Wegen der guten Finanzsituation rechnen wir damit, dass die Beiträge bis Ende 2013 stabil bleiben, also keine Zusatzbeiträge erforderlich sind. Und wenn nichts Dramatisches passiert, wird das auch noch 2014 so sein. Darüber können sich die Versicherten freuen.

Aber das Bundesversicherungsamt drängt auf die Auszahlung von Prämien. Und Gesundheitsminister Bahr droht gar mit Zwang. Gibt Ihnen das nicht zu denken?

Pfeiffer: Einige Kassen sind sicher in einer sehr guten finanziellen Verfassung. Wenn das langfristig so bliebe, stellte sich in den nächsten Jahren in der Tat die Frage nach Ausschüttungen. Es kann ja auch nicht das Ziel sein, dauerhaft immense Überschüsse anzuhäufen. Berücksichtigt werden muss aber auch, dass Prämienauszahlungen neuen Verwaltungsaufwand verursachen, so dass es in den allermeisten Fällen besser sein dürfte, das Geld aufzuheben, um bei einer wirtschaftlichen Flaute Zusatzbeiträge zu vermeiden.

Bleibt der Gesetzgeber . . .

Pfeiffer: Ein gesetzlicher Zwang würde bedeuten, dass die Kassen noch mehr in ihrer finanziellen Autonomie begrenzt würden. Außerdem will ich daran erinnern, dass die Kassen lange Zeit für ihre unzureichenden Rücklagen kritisiert wurden. Nun wird das ins Gegenteil verkehrt. Das ist schon befremdlich. Im Übrigen, wenn der Gesetzgeber wirklich an Entlastungen für Versicherte interessiert ist, dann soll er dafür sorgen, dass jede Kasse ihren Beitrag wieder selbst festlegen kann. Das hat in der Vergangenheit bestens funktioniert.

Sie fordern für 2013 eine Honorarerhöhung von insgesamt 3,5 Milliarden Euro. Ist das realistisch?

Pfeiffer: Das ist völlig unrealistisch. Das wären ja 23 000 Euro pro Arzt zusätzlich. Die Ärzte tun so, als stünden sie an der Armutsgrenze. Dabei waren in den letzten Jahren deutlich stärkere Zuwächse bei der ärztlichen Vergütung zu verzeichnen als bei den Löhnen der Versicherten. Nach den gesetzlichen Vorgaben erwarten wir für dieses Jahr etwa 600 Millionen Euro Honorarzuwachs. Aber was 2013 passiert, ist offen.

Viele Praxis-Ärzte stöhnen über die Bürokratie, die ihnen die Kassen abverlangen. Deshalb plant die Ärzteschaft eine Internet-Seite, auf der Ärzte die Kassen bewerten sollen. Ärgert Sie das?

Pfeiffer: Die Krankenkassen haben kein Problem damit, bewertet zu werden. Nur, was soll es dem Patienten bringen, wenn er weiß, dass eine Kasse vom Arzt vermeintlich zu viel Schreibarbeit abfordert? Möglicherweise verordnet der Arzt ja auch Dinge, die einer besonderen Dokumentationspflicht bedürfen. Die Zielstellung eines solchen Internet-Portals liegt im Nebel. Die Kassen bleiben da gelassen.Foto: imago

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort