Die politischen Aufsteiger des Jahres

Berlin · Es gibt sie, die Talente in der zweiten Reihe: Die einen sind noch jung und frisch im Berliner Politbetrieb unterwegs, die anderen schon etwas länger dabei. Doch sie alle haben sich 2015 mit Nachdruck profilieren können – unsere Hauptstadt-Korrespondenten Werner Kolhoff, Hagen Strauß und Stefan Vetter stellen die acht Newcomer des Jahres im Bundestag vor.

Sie war ein unbeschriebenes Blatt, als Sigmar Gabriel sie in die erste Reihe der Politik katapultierte: Seit dem 11. Dezember ist Katarina Barley die Generalsekretärin der Regierungspartei SPD . Im Bundestag hört man nur Positives. Die 46-jährige Abgeordnete aus Trier und zweifache Mutter sei stets freundlich und ziemlich fleißig. Als Justiziarin ihrer Fraktion hat die gebürtige Kölnerin viele Abgeordnete juristisch klug beraten. Kein Wunder bei der Vorgeschichte als Erfolgsanwältin, Richterin und Mitarbeiterin des Verfassungsgerichts. Mit Barley startet nun ein neuer Typus Generalsekretär: Lächeln statt beißen.

Dunkelrote Haare, große Brille, blass geschminktes Gesicht und ein Piercing in der Lippe - Agnieszka Brugger von den Grünen passt nicht ins Parlamentarier-Raster. Schon deshalb schwärmt Ex-Partei-Chefin Claudia Roth von der 30 Jahre alten Deutsch-Polin. Roth pflegt bekanntlich ebenfalls ein unkonventionelles Äußeres. Doch Brugger hat sich auch mit einem für Frauen eher ungewöhnlichen Thema profiliert: Als Mitglied des Verteidigungsausschusses gibt sie der Regierung sachkundig und wortstark Zunder. Wie zuletzt bei der Verlängerung des Afghanistan-Mandats. Ihren Namen wird man sich merken müssen.

Für höhere Aufgaben hatte Reinhard Grindel noch keiner auf dem Schirm. Er polarisiert eher, und eine besondere Fachqualifikation war nicht erkennbar. Hat er aber: den Fußball. Seit Jahren ist der ehemalige Fernsehjournalist in der Verbandsarbeit engagiert, vom heimischen Rotenburger SV bis zum Posten des DFB-Schatzmeisters. Jetzt hat sich der CDU-Abgeordnete auf dieser Nebenschiene ganz nach oben gearbeitet: Der 54-Jährige ist Top-Favorit für die Nachfolge des zurückgetretenen DFB-Präsidenten Wolfgang Niersbach . Grindel wird also im Sommer vielleicht/hoffentlich den EM-Pokal in die Luft stemmen.

Auf den traurigen Anlass hätte er sicherlich gerne verzichtet, auf den Karrieresprung selbst gewiss nicht: Jürgen Hardt wurde durch den unerwarteten Tod von Philipp Mißfelder im Herbst zum außenpolitischen Sprecher der CDU/CSU-Fraktion. Deutsch-amerikanischer Koordinator ist er schon seit April 2014. Die Webseite des Auswärtigen Amtes zeigt ihn mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD ). Der 52 Jahre alte Abgeordnete aus dem Bergischen Land gehört nun zur ersten Garde der Außenpolitik und ist viel unterwegs. Ganz besonders gern in den USA. Er ist Transatlantiker durch und durch.

Das Gesicht von André Hahn flimmerte zuletzt regelmäßig über die Bildschirme. Der 52 Jahre alte Linkepolitiker aus Sachsen sitzt zwar erst seit 2013 im Bundestag, brachte es aber gleich zum Chef des für die Geheimdienste zuständigen Parlamentarischen Kontrollgremiums. Noch nie zuvor war dort ein Linker der Kapitän. Allen Unkenrufen zum Trotz hat Hahn seinen Job gut erledigt. Und das, obwohl seine Partei die Geheimdienste am liebsten abschaffen würde. Nach den Regularien stellt ab Januar für ein Jahr wieder die Koalition den Vorsitz. Hahn wurde als Vizechef gewählt. Das ist auch ein Vertrauensbeweis.

Von Null auf Hundert. Das gilt auch für den CDU-Politiker Ansgar Heveling. Als Mitglied des Rechtsausschusses ist der 43-Jährige reichlich unbekannt gewesen. Doch dann wurde der Mann aus Nordrhein-Westfalen im September neuer Chef des Innenausschusses. Sein Vorgänger heißt Wolfgang Bosbach . Er trat wegen der Griechenland-Politik zurück. Bosbach verstand es, politisch und persönlich aus dem Amt viel Kapital zu schlagen. Die Chance, es ihm gleich zu tun, liegt für Heveling nun auf dem Silbertablett. Sein neuer Job könnte ihn im neuen Jahr in die Nachrichten und Talksendungen katapultieren.

Er ist bissig, manchmal auch bärbeißig. Lockerlassen ist wahrlich keine Eigenschaft von Konstantin von Notz. Der Grünen-Politiker ist Obmann im NSA-Untersuchungsausschuss und ficht dafür, dass die Bundesregierung die Leistung und den Mut von Edward Snowden endlich auch anerkennt. Im Ausschuss zur NSA-Spähaffäre hat er im zurückliegenden Jahr die Regierenden ordentlich vor sich her getrieben. Als Netzpolitiker weiß der 44-Jährige außerdem, welch ein hohes Gut der Datenschutz ist. Dafür kämpft er. Sein Wahlkreis ist übrigens das Herzogtum Lauenburg-Stormarn-Süd. Passt zum Namen.

Sie ist eloquent und fair. Die stellvertretende SPD-Fraktionsvorsitzende Eva Högl hatte sich bereits einen Namen im Untersuchungsausschuss zur Nazi-Terrorgruppe NSU gemacht. An der Seite von Sebastian Edathy , der dann wegen Kinderporno-Verdachts ausschied. In den vergangenen Monaten führte die 46-Jährige den Edathy-Ausschuss, der die Ungereimtheiten rund um diesen eher unappetitlichen Fall aufarbeitete. Högl widerstand der Versuchung, ihren ehemaligen Parteifreund und die SPD in ein besseres Licht zu stellen. Auch deshalb hat sie sich für Höheres empfohlen - für den Fraktionsvorsitz zum Beispiel. Fotos: dpa (7), Fischer

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