Die Plastiktüte hat ausgedient

Paris · Frankreich will die Einmal-Plastiktüten an den Supermarkt-Kassen abschaffen. Eine neue Regelung tritt zunächst auf freiwilliger Basis am 1. Januar in Kraft. Die französischen Supermärkte haben sich bereits darauf eingestellt.

"Ab 1. Januar gibt es keine Plastiktüten mehr" steht an der Theke der Apotheke. Der schnelle Griff zur dünnen Rascheltüte, der in Frankreich so verbreitet ist, soll ab Freitag der Vergangenheit angehören. So sieht es zumindest das Energiewende-Gesetz vor, das im August verabschiedet wurde. "Ab 1. Januar wird die kostenlose oder entgeltliche Verteilung von Plastiktüten zur einmaligen Nutzung an der Kasse beendet", heißt es darin. Gratis oder für wenige Cent bekamen die Kunden beim Bezahlen bisher ihren "sac" dazu, so dass sich Stoffbeutel wie in Deutschland kaum durchsetzten. Doch das soll sich nun ändern - zunächst drei Monate lang auf freiwilliger Basis und ohne Strafen. Die Europäische Union will bis Ende März noch prüfen, ob das entsprechende Dekret mit den Brüsseler Vorschriften übereinstimmt, bevor es am 1. April in Kraft treten kann.

Die Supermärkte haben sich bereits auf die neue Regelung eingestellt. "Wir haben zur Klimakonferenz unsere Gratis-Tüten an der Kasse aus dem Angebot genommen und bieten statt dessen wiederverwendbare Taschen an, die bezahlt werden müssen", sagt ein Verkäufer der Supermarkt-Kette Franprix im Fernsehen. Frankreich war Anfang Dezember Gastgeber der Klimakonferenz, die sich nicht nur mit der Erderwärmung, sondern auch mit anderen Umweltproblemen befasste. Dazu gehören die riesigen Strudel aus Plastikabfällen, die sich in den Ozeanen angesammelt haben.

Bis zu 46 000 Teile Plastikmüll schwimmen laut World Wildlife Fund (WWF) in jedem Quadratkilometer Meer, wo sie von den Meerestieren aufgenommen werden. "Durch die Nahrungskette gelangen die Gifte in immer größere Tiere und landen schließlich auch auf unseren Tellern", warnt die Umweltschutzorganisation. So halten beispielsweise Schildkröten die Plastiktüten für Quallen , fressen sie und sterben daran.

"Die Tüten werden nur wenige Minuten benutzt und brauchen dann mehrere hundert Jahre für die Zersetzung", erklärt die französische Umweltministerin Ségolène Royal . Laut ihrem Ministerium werden jedes Jahr 17 Milliarden Einwegtüten in Frankreich verteilt, von denen fast die Hälfte hinterher achtlos in der Natur landet. Am 1. Januar 2017 will die Sozialistin deshalb auch die besonders dünnen Tüten verbieten, die zum Einpacken von Obst und Gemüse dienen.

Erlaubt sind dann nur noch Verpackungen aus Papier und Stoff oder solche, die biologisch abbaubar sind. 3000 Arbeitsplätze erhofft sich Royal durch die Umstellung auf abbaubare Tüten. "Einige französische Unternehmen sind Pioniere auf dem Gebiet des Bioplastik." Doch Umweltschützer warnen vor den die kompostierbaren Tüten, da der Anbau der Pflanzen für Bioplastik in Konkurrenz zum Anbau von Nahrungsmitteln steht. "Die fälschlicherweise als ökologisch deklarierten Tüten könnten eine Änderung des Verhaltens verhindern", kritisiert der Vorsitzende der Umweltschutzorganisation France Nature Environment (FNE), Denez L'Hostis. Auch die französischen Einzelhändler wehren sich gegen die Umstellung, die für sie 300 Millionen Euro an Kosten bedeute.

Laut einer Richtlinie der Europäischen Union sollen ab 2026 höchstens noch 40 Plastiktüten pro Kopf und Jahr verbraucht werden. Deutschland ist derzeit bei 71 und Frankreich bei 80. Damit sind die beiden Länder weit unter dem EU-Durchschnitt von rund 200 Tüten pro Einwohner und Jahr. Wahre Musterschüler sind allerdings Dänemark und Finnland: Dort liegt der Verbrauch bei gerade einmal vier Tüten jährlich pro Kopf.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort