Die Münchner Nacht der Schockstarre

Amoklauf in München: Die bayerische Landeshauptstadt hat einen schwarzen Freitag durchlitten. Nach Todesschüssen im vielbesuchten Olympia-Einkaufszentrum herrschte über Stunden Unsicherheit, ob es einen Terrorangriff gegeben hatte. Neun unschuldige Menschen und der Täter starben.

 Polizisten in Spezialausrüstung sicherten am Tatort die Umgebunb ab. Foto: dpa

Polizisten in Spezialausrüstung sicherten am Tatort die Umgebunb ab. Foto: dpa

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An einem sommerlichen Freitagabend sind in der Münchner Innenstadt normalerweise alle Gaststätten voll - draußen vor den Szenelokalen Trauben von Menschen, die reden, rauchen und trinken. Doch an diesem Freitagabend ist nichts normal. Nach den tödlichen Schüssen beim Münchner Olympia-Einkaufszentrum bricht Panik aus, dann legt sich eine Schockstarre über die Stadt.

Die Nachricht über das Blutbad und den zunächst flüchtigen Täter breitet sich via Twitter und andere soziale Netzwerke in Windeseile aus. Viele Lokale in der Innenstadt schließen eilends. Auch im weltbekannten Hofbräuhaus sind gegen 21 Uhr keine Gäste mehr. "Hier ist zwar nichts passiert, aber es hat sich Panik ausgebreitet", sagt Serviceleiter Werner Posselt.

Die Münchner Polizei ruft per Twitter dazu auf, öffentliche Plätze sowie U- und S-Bahnen in der Stadt zu meiden. Ebenfalls über soziale Netzwerke warnen sich die Menschen rund ums das Einkaufszentrum und bieten Zuflucht an. Aber genauso rasch verbreiten sich auch Falschmeldungen, wonach auch am Stachus, am Isartor und an weiteren Orten Schüsse gefallen sein sollen. Nichts davon stimmt - Fluch und Segen neuer Techniken.

Am Stachus rennen mehr als 100 Menschen schreiend weg und flüchten Richtung Hauptbahnhof. "Da wird geschossen", ruft eine Frau und kauert sich weinend hinter einen Betonsockel auf einer Verkehrsinsel. Ein Trupp vermummter Polizisten in grünen Kampfanzügen, mit Helmen und Waffen im Anschlag, läuft vorbei.

Massenweise Fehlalarme

Hinter dem herabgelassenen Rollgitter eines Schuhladens drängen sich verängstigte Menschen. "Da hat's geknallt", sagt ein junger Mann. Hat er das gehört? Nein, das nicht - aber: "Das sagen alle". Auf Facebook und Twitter überschlagen sich die Gerüchte über Schüsse in der Innenstadt: "In der ganzen Stadt geht's los!!!! Scheiße !!!!! #München #OEZ #Stachus". Die Polizei twittert: "Meiden Sie öffentliche Plätze in #München. Die Lage ist noch unübersichtlich. #oez #Schießerei". Im Färbergraben warnt ein Mann Passanten, die in Richtung Stachus laufen: "Gehen Sie in die andere Richtung, am Stachus wird geschossen!" Zwei entgeisterte Frauen drehen auf dem Absatz um.

Nur - wohin? "Gehen Sie irgendwohin, wo wenig Menschen sind", rät ein anderer Mann in der Altstadt. Vor einem Restaurant in der Hackenstraße kommt Panik auf, als auf einmal Menschen zu rennen beginnen. Keiner weiß warum. Mitarbeiter der Gaststätte rufen die Menschen ins Haus, dann geht es in den Keller. Erst am späten Abend wagen sich die Ersten wieder ins Freie.

Die Angst der Menschen wird beflügelt durch die Unsicherheit, was eigentlich passiert ist, wie viel Täter es sind und ob von ihnen noch eine Gefahr ausgeht. Niemand weiß, ob es ein Terroranschlag war. Von bis zu drei Tätern war zunächst die Rede. Zeugen wollen sie mit Langwaffen gesehen haben - auch das stellt sich später als falsch heraus.

Fast alles steht still

Auf Anweisung der Polizei wird der öffentliche Nahverkehr komplett eingestellt, der Münchner Hauptbahnhof gesperrt. Orte mit vielen Menschen sollen als potenzielles weiteres Angriffsziel ausgeschlossen werden. Um Mitternacht ist die Fußgängerzone in der Innenstadt fast menschenleer. Streifenwagen der Polizei fahren hier Kontrolle. Wo sonst das Leben pulsiert, sind jetzt nur ein paar Touristen und Unerschrockene unterwegs - und Leute, die wegen des Stillstands von U- und S-Bahnen, Bussen und Straßenbahnen gestrandet sind.

Und dann endlich die Gewissheit, dass sich um einen Einzeltäter gehandelt und dieser sich selbst erschossen hat - Erleichterung in der Stadt, dass nun keine Gefahr mehr besteht. Doch Trauer und Bestürzung bleiben.

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