Die letzten Zuckungen der Welt von gestern?

Paris · Eine Nahost-Konferenz ohne Israelis und Palästinenser: In Paris dringt die Welt auf neue Friedensgespräche. Doch der bevorstehende Amtsantritt von Donald Trump sorgt für zusätzliche Sorgen.

Es geht vor allem um ein klares Symbol an diesem wintergrauen Tag in der französischen Hauptstadt. In einem bemerkenswert breiten Bündnis appellieren Vertreter von über 70 Staaten bei der Pariser Nahost-Konferenz an Israelis und Palästinenser , sich nicht in einer endlosen Logik der Konfrontation einzumauern , sondern eine "Verhandlungslösung mit zwei Staaten" anzustreben. Die Adressaten der Botschaft sitzen aber nicht nur in Jerusalem und Ramallah, sondern auch in den USA: Wenige Tage vor dem Amtsantritt des neuen Präsidenten Donald Trump ist das Bekenntnis zur Zwei-Staaten-Lösung auch eine Ansage an den künftigen Herrn im Weißen Haus.

Denn dessen Aussagen zur Nahost-Politik schüren Sorgen . Die Absicht, die US-Botschaft in Israel von Tel Aviv nach Jerusalem zu verlegen, nennt Frankreichs Außenminister Jean-Marc Ayrault gestern eine Provokation. Der Status der Stadt ist einer der Streitpunkte in dem jahrzehntealten Konflikt. Auch Deutschlands Chefdiplomat Frank-Walter Steinmeier (SPD ) warnt mit Blick auf Trumps Überlegungen und die erbosten palästinensischen Reaktionen vor der Gefahr neuer Eskalationen. "Ich glaube, es wird unterschätzt, dass wir jetzt vor einem entscheidenden Jahr für den Nahost-Friedensprozess sind."

Israels Regierung jedenfalls ist überzeugt von einer Kehrtwende der amerikanischen Nahostpolitik zu ihren Gunsten. Ministerpräsident Benjamin Netanjahu tönt bereits, die von ihm torpedierten Beratungen in Paris seien die "letzten Zuckungen der Welt von gestern". Dem setzt Gastgeber Frankreich eine Warnung entgegen. "Wir handeln für die Stabilität der Welt", sagt Präsident François Hollande . Ohne eine Regelung des Konflikts könne der Nahe Osten keine Ruhe finden. Der Konflikt diene Terrorgruppen wie dem Islamischen Staat als Vorwand. Die Zwei-Staaten-Lösung sei der einzige Weg, mahnt Hollande. In dieses Horn stößt auch Steinmeier.

Ayrault räumt aber ein, dass es Zweifel über den Zeitpunkt der Pariser Friedenskonferenz gebe. Es ist in der Tat ein in vielerlei Hinsicht eigenartiges Treffen. Die beiden Konfliktparteien selbst sitzen nicht mit am Tisch. Und wichtige Akteure der Konferenz werden in Kürze ihr Amt räumen müssen - allen voran US-Außenminister John Kerry , für den der Besuch der Schlusspunkt fruchtloser Bemühungen um Frieden in Nahost darstellt. Für Hollande schlägt die Stunde mit den Präsidentenwahlen im Mai. Trotzdem sind mehr als 70 Staaten und Organisationen nach Paris gekommen, darunter die Vereinten Nationen, alle UN-Veto-Mächte, die EU, die Arabische Liga. "Die Zwei-Staaten-Lösung erfährt weiterhin eine breite Unterstützung", betont Hollande.

Doch die Lage vor Ort ist dramatisch. Der fortgehende israelische Siedlungsbau im Westjordanland und in Ost-Jerusalem untergräbt nach Einschätzung vieler Beobachter die Lebensfähigkeit eines Palästinenserstaats - und damit die Aussicht auf eine Zwei-Staaten-Lösung. Die Gewalt nimmt kein Ende, vor einer Woche etwa mit dem Lastwagen-Anschlag eines Palästinensers in Jerusalem. Das Grundproblem: Die Palästinenser fürchten, in direkten Gesprächen mit Israel als Schwächerer das Nachsehen zu haben. Das Treffen sei vielleicht die letzte Chance für die Zwei-Staaten-Lösung, warnte Palästinenserpräsident Mahmud Abbas . Israel dagegen wittert bei Konferenzen wie in Paris ein internationales Diktat, das seine Sicherheitsinteressen untergrabe, und wirft den Palästinensern vor, sich vor direkten Gesprächen wegzuducken. Das Misstrauen dominiert, und es ist fraglich, ob die eindringlichen Appelle aus Paris daran etwas ändern können.

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