Die Grünen sind verwechselbarer geworden

Berlin. Heute vor drei Jahrzehnten - am 13. Januar 1980 - wurden die Grünen in Karlsruhe gegründet. Untergangsszenarien überlebten sie. Sie blieben weder Projekt einer Generation noch blieb die Partei auf einzelne Führungsfiguren wie anfangs Petra Kelly oder später Joschka Fischer angewiesen

Berlin. Heute vor drei Jahrzehnten - am 13. Januar 1980 - wurden die Grünen in Karlsruhe gegründet. Untergangsszenarien überlebten sie. Sie blieben weder Projekt einer Generation noch blieb die Partei auf einzelne Führungsfiguren wie anfangs Petra Kelly oder später Joschka Fischer angewiesen. Im Gegenteil: Bei der jüngsten Bundestagswahl fuhren die Grünen mit 10,7 Prozent ihr Rekordergebnis ein - auch wegen vieler junger Wähler.

Doch die einstige Anti-Parteien-Partei ist verwechselbarer geworden. Früher wurden die Fraktionssitzungen öffentlich abgehalten und machten Fundis Opposition gegen das Polit-System an sich. Die Fundamentaloppositionellen von einst gibt es bei den Grünen heute nicht mehr. Und Bundesumweltminister Norbert Röttgen vom einstigen Lieblingsgegner CDU hört sich selbst ein bisschen an wie ein Grüner.

Die Grünen haben großen Teilen der Friedens- und Umweltbewegung, der außerparlamentarischen Opposition in den 80ern eine Heimat gegeben. Heute sind manche Grüne der ersten Stunde enttäuscht von der Routiniertheit einer Partei, die in Kommunen, Ländern und sieben Jahre auch im Bund mitregiert hat. Parteichefin Claudia Roth sagt: "Natürlich hat sich unsere Partei über die Jahre verändert, nicht angepasst, aber entwickelt."

Doch Roth hält den Grünen zugute: "Bei den Formen und Strukturen, wie mit Themen umgegangen wird - da unterscheiden wir uns ganz massiv von den anderen." Noch immer tarieren Linke und Reformer ihre interne Macht unentwegt gegeneinander aus. Noch immer können Grundsatzdebatten auf Parteitagen heftig ausfallen.

Vor allem aber setzen die Grünen heute mehr als in rot-grünen Regierungsjahren oder zunächst nach dem Machtverlust 2005 auf einen fundamentalen Ansatz - durchaus im Einklang mit den anfänglichen Ansprüchen. "Angesichts des katastrophalen Klimawandels müssen wir radikaler werden, was die Anforderungen an die Politik angeht", sagt Roth.

Nach Ansicht Roths ist es auch ein Verdienst der Grünen, dass mit Angela Merkel (CDU) eine Frau Bundeskanzlerin wurde. "Wir sind für die Frauenquote belächelt worden, aber wir haben die Kulturrevolution für Geschlechtergerechtigkeit gestartet." In Merkels Politik sei aber wenig von Chancengerechtigkeit zu spüren, kritisierte Roth.

Die auf 68 Abgeordnete gewachsene Bundestagsfraktion will auf ihrer Neujahrsklausur ab heute in Weimar Front machen gegen die Wachstumsziele von Schwarz-Gelb - mit einer Debatte über anderes Wachstum, das Umwelt und Ressourcen schont. Parteichef Cem Özdemir schwört die Grünen ein, notfalls umgehend regierungsbereit zu sein.

Und doch: In Hamburg regieren die Grünen bereits mit der CDU, im Saarland mit CDU und FDP. Kritiker warnen, die Grünen könnten durch die Bereitschaft zu allen möglichen Koalitionen Glaubwürdigkeit verlieren. Zu Debatten um schwarz-grüne Bündnisse sagte Roth, bei den Grünen gebe es eine deutlich größere Nähe zur Sozialdemokratie. "Aber wir bemessen Bündnisse daran, ob und mit wem wir grüne Inhalte umsetzen können, nicht an ideologischen Schützengräben."

Schwierig für die nach wie vor kleinste Oppositionspartei ist die Wahl in Nordrhein-Westfalen im Mai: Angesichts der nach Umfragen fehlenden Mehrheit für Rot-Grün dürfte die Debatte über eine Koalition mit der CDU an Rhein und Ruhr weiter an Fahrt gewinnen. Vielen linken Grünen sind solche Aussichten ein Graus.

Sind die Grünen überhaupt noch links oder schon ganz in der Mitte der Gesellschaft angekommen? Fraktionschef Jürgen Trittin sagt: "Wir sind die linke Mitte. Es gibt keine Partei, deren Mitglieder sich so klar links definieren und die sich so klar in der Mitte der Gesellschaft bewegen, wie die Grünen." Unklar ist zum Geburtstag, was die Grünen daraus machen.

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