Die Geliebte im Mittelmeer

Port-Cros. Der Mann hat eine Geliebte. Er nennt sie "meine Perle" und blickt schmachtend, wenn er von ihr erzählt. Sogar der Tonfall seiner Stimme verändert sich dann, wird weicher, der Klang singender. Die Arme beginnen zu gestikulieren, als würde er ihre Figur, ihre Taille in die warme Sommerluft zeichnen, damit sich jeder der Umstehenden diese Schönheit besser vorstellen kann

 Nur 30 Menschen leben ganzjährig am Hafen von Port-Cros. Foto: Helge Sobik

Nur 30 Menschen leben ganzjährig am Hafen von Port-Cros. Foto: Helge Sobik

Port-Cros. Der Mann hat eine Geliebte. Er nennt sie "meine Perle" und blickt schmachtend, wenn er von ihr erzählt. Sogar der Tonfall seiner Stimme verändert sich dann, wird weicher, der Klang singender. Die Arme beginnen zu gestikulieren, als würde er ihre Figur, ihre Taille in die warme Sommerluft zeichnen, damit sich jeder der Umstehenden diese Schönheit besser vorstellen kann.Die Affäre von Nicolas Gerardin läuft seit fast 30 Jahren, und der Name der Geliebten ist auf die Schulterpartie seines Diensthemds gleich unter dem Nationalpark-Logo eingestickt: "Port-Cros" steht dort. Seine Perle - das ist diese nahezu unbewohnte Insel im Mittelmeer: "Sooo schön", schwärmt er. "So still. Uns so natürlich. Ein Schatz!"

Gerardin hat vor bald drei Jahrzehnten alleine die Welt umsegelt, um am Ende des Törns ungeplant auf Port-Cros hängen zu bleiben. Und um seitdem zu schwärmen: davon zum Beispiel, dass es nirgendwo anders so viele verschiedene Grün-Töne gebe wie hier in seiner Inselheimat. Das kristallklare Wasser in den felsumrandeten Buchten entlang der Küste und die Farbabstufungen der Blätter seltener Pflanzen sind für diese Farbenpracht verantwortlich. Er berichtet, wie sich der Blick vom Turm der Festung Fort de l'Estissac im Meer verliert und sich das Blau der Wellen mit dem des Himmels am Horizont verbindet.

Zehn Inseln sind der südfranzösischen Küstenstadt Hyères vorgelagert, die Großstadt Marseille ist weniger als eine Autostunde entfernt. Die drei größeren Eilande dieser "Iles d'Or - goldene Inseln" genannten Gruppe stehen Urlaubern offen. Als einzige davon ist Port-Cros komplett als Nationalpark unter Schutz gestellt - und das bereits seit 1963. Die Auflagen sind derart vielfältig, dass sogar ein generelles Rauchverbot im Freien gilt, wegen der Umweltverschmutzung durch weggeworfene Kippen und mehr noch wegen der Waldbrandgefahr. Ranger wie Nicolas Gerardin überwachen die Einhaltung der Regel. Und weil jedes Feuer seiner Geliebten Narben zufügen könnte, versteht er bei so etwas keinen Spaß.

Weniger als drei Dutzend Menschen sind auf dem rund vier Kilometer langen und zweieinhalb Kilometer breiten Eiland zuhause, und bloß ein paar Häuschen mit Restaurants und Bars säumen die halbmondförmige Hafenbucht. Nur 27 Hotelzimmer gibt es, dazu ein paar Ferienwohnungen.

Tagsüber sind es Wanderer mit Picknick-Box, die hier auf dreißig Kilometer Wegen und schmalen Pfaden oberhalb der Steilküsten über die Insel streifen. Abends sind dort nur noch Eidechsen unterwegs, die eilig über den Weg huschen, dazu ein paar Seevögel am Himmel. Und nachts versinkt Port-Cros in tiefster Ruhe. Bis morgens aus dem ersten der vier Restaurants am Hafen das Radio dudelt, der Moderator irgendwas vom Stau auf der Küstenstraße erzählt, dabei natürlich das Festland meint und zur Beruhigung erst mal ein paar Chansons auflegt.

Kellner rücken derweil Tische und Stühle zurecht und warten auf die Ausflügler, die in der Saison gegen halb elf mit dem ersten Boot aus Hyères eintreffen.

Wenn sie erst mal da sind, verläuft sich der scheinbare Ansturm schnell. Zwei Schulklassen stapfen mit ihrem Biolehrer in die Natur, ein paar junge Leute steuern gleich den Strand "Plage de la Palud" an, ein Pärchen zieht ein ungenutztes Holz-Ponton in Sichtweite als private Sonnenbank vor. Ein paar Leute zieht es in die Cafés, die anderen starten zur Insel-Rundwanderung. Und kaum dass sie den kleinen Hafen mit seinen Anlegern, seinen paar Nussschalen und Segelbooten verlassen haben, umfängt sie nur noch Stille.

Manchmal bleibt ihr Blick beim Schwenk übers Meer an den Yachten haften, die weiter draußen unterwegs sind. Irgendwie sieht die Frau, die dort von Deck springt ein bisschen aus wie Angelina Jolie, der Typ mit dem quergestreiften Matrosen-Shirt wie Brad Pitt. Kann sein, dass sie es wirklich sind. Es wäre nichts ungewöhnliches für die Iles d'Or.

Früher kam François Mitterand regelmäßig hierher, machte Ferien im Herrenhaus "Le Manoir d'Helene", wo die Esstische der Gäste unter hohen Bäumen im Freien stehen und Störche beim Mittagsmahl zuschauen. Einmal hat er Helmut Kohl mitgebracht. Einer hat beide herumgeführt und ist aus dem Schwärmen nicht herausgekommen: Das war Nicolas Gerardin.

Auf einen Blick

Die Überfahrt nach Port-Cros vom Festland aus kostet je nach Anbieter rund 25 Euro.

Informationen erteilt das französische Fremdenverkehrsamt, Zeppelinallee 37, 60 325 Frankfurt.

 Nur 30 Menschen leben ganzjährig am Hafen von Port-Cros. Foto: Helge Sobik

Nur 30 Menschen leben ganzjährig am Hafen von Port-Cros. Foto: Helge Sobik

franceguide.com

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort
Wahl-SonntagFür die Bundeskanzlerin wird am Sonntag besonders spannend: Drei Wahlen - Schleswig-Holstein, Frankreich und Griechenland - werden auch in Berlin Weichen stellen. Deren Ausgang kann Angela Merkel das Regieren möglicherweise erheblich erschwere
Wahl-SonntagFür die Bundeskanzlerin wird am Sonntag besonders spannend: Drei Wahlen - Schleswig-Holstein, Frankreich und Griechenland - werden auch in Berlin Weichen stellen. Deren Ausgang kann Angela Merkel das Regieren möglicherweise erheblich erschwere