Die Frau, die das Eisen aus dem Feuer holt

Güdesweiler · Sie liebt Pferde. Warum also nicht einen Beruf erlernen, bei dem sie täglich mit ihnen zu tun hat, dachte sich Lisa Vogelgesang. Sie macht eine Ausbildung zur Hufschmiedin. In der Männerdomäne kommt sie bestens klar.

 Kräftig zupacken – das gehört in Lisa Vogelgesangs Beruf dazu. Hier knipst sie mit einer Zange die Spitzen der neuen Hufnägel ab.Fotos: Rich Serra

Kräftig zupacken – das gehört in Lisa Vogelgesangs Beruf dazu. Hier knipst sie mit einer Zange die Spitzen der neuen Hufnägel ab.Fotos: Rich Serra

 Lisa Vogelgesang ist gelernte Tierarzthelferin. Dann entschied sie sich umzusatteln. Sie wird Hufschmiedin.

Lisa Vogelgesang ist gelernte Tierarzthelferin. Dann entschied sie sich umzusatteln. Sie wird Hufschmiedin.

 Es zischt und qualmt: Die angehende Hufschmiedin brennt einem Pferd ein Hufeisen auf.

Es zischt und qualmt: Die angehende Hufschmiedin brennt einem Pferd ein Hufeisen auf.

Zwischen den Knien von Lisa Vogelgesang ragt ein Huf hervor. Er ist fest eingeklemmt, da kann nichts verrutschen. Mit beiden Händen hält die 26-Jährige eine Zange. Sie beugt sich vornüber, der blonde, geflochtene Zopf rutsch ihr über die rechte Schulter. Mit aller Kraft drückt sie das heiße Eisen auf den Huf. Es zischt, Rauch wabert auf. Der Geruch von verbranntem Horn erfüllt die Luft. Als die junge Frau das Eisen wegnimmt, bleibt ein schwarzer Abdruck zurück. Vogelgesang beäugt ihn kurz. Passt! Zufrieden richtet sie sich auf und pustet die Backen auf. Über ihrer Oberlippe hat sich eine Schweißperle gebildet.

Lisa Vogelgesang ist angehende Hufschmiedin - und damit eine echte Rarität. "In Deutschland sind nur vier Prozent der Hufschmiede weiblich", sagt Andreas Müller (31). Im Betrieb seiner Familie in Heiligenwald ist Vogelgesang in der Ausbildung. Als einzige Frau im Saarland. Das Schmieden von Hufeisen, das Beschlagen von Pferden - es gilt immer noch als Männerjob. Das bekommt auch Vogelgesang immer wieder zu spüren, selbst wenn sie von Machogehabe bisher verschont geblieben ist. "Es ist eher Erstaunen, dass eine Frau so einen Beruf wählen könnte. Manche machen Scherze oder zweifeln, ob ich das auch richtig hinbekomme." Die gleichen Zweifel hatte die gelernte Tierarzthelferin aus Niedermohr bei Ramstein anfangs selbst. Sollte sie wirklich umsatteln? War sie der Herausforderung körperlich gewachsen? Nach fast zwei Jahren sind alle Unsicherheiten verschwunden. Bald steht die Abschlussprüfung an.

Die zwei Hufschmiede sind in einem goldenen Kleinbus unterwegs. Das Fahrzeug ist eine Werkstatt auf Rädern. Hinter einer Seitentür kommen eine Bohrmaschine und ein Schweißgerät zum Vorschein - für Sonderanfertigungen. Aus dem Kofferraum lässt sich eine Schleifmaschine ausfahren, ebenso ein Amboss und ein Gasofen in der Größe eines Schuhkartons. Nichts muss aus dem Wagen gehievt werden. Für eine Frau sehr praktisch. Lisa Vogelgesang holt aus einer Schublade ein neues Hufeisen hervor. Sie setzt eine Schutzbrille auf. Dann wird es laut und feurig. Funken fliegen, als sie die scharfen Kanten des Eisens abschleift. Mit einer Zange legt sie es in den Ofen. Die Hitze flirrt in der bereits schwülen Morgenluft. Die 26-Jährige holt das orange glühende Eisen wieder heraus, legt es auf den Amboss und versetzt ihm mit einem Hammer einige kräftige Schläge. Dann taucht sie es kurz in einen Eimer Wasser und verschwindet damit im Stall.

Zwei Pferde beschlagen Lisa Vogelgesang und Andreas Müller heute auf dem malerischen Hof der Familie Will in Oberthal-Güdesweiler. Die beiden Stuten Monja (20) und Gomera (17) bleiben während der ganzen Prozedur ruhig. Manchmal drehen sie den Kopf, um zu sehen, was passiert. Schnuppern ein bisschen. Ansonsten lässt sie alles ungerührt: der Krach, der Rauch, der Geruch, das Schneiden und Klopfen an ihren Hufen. Ein Glücksfall, nicht alle Pferde sind so entspannt, wenn der Hufschmied kommt. "Manche müssen sogar sediert werden", sagt Vogelgesang. Und jetzt im Sommer, wenn es heiß ist, sind die Tiere oft gestresst, schlagen mit dem Schweif nach Bremsen und Fliegen. "Wir Hufschmiede mögen den Winter lieber."

Dann müssen sie auch unter der Arbeitskleidung nicht so schwitzen. Lisa Vogelgesangs Füße stecken in klobigen schwarzen Schuhen. "Größe 35/36. Die mussten wir extra in Spanien bestellen", sagt sie schmunzelnd. Was die Schuhe so unförmig macht, ist der Spannschutz, eine feste schwarze Lasche. "Falls mir mal ein Pferd auf den Fuß steigt oder beim Schmieden Material herunterfällt." An den Händen trägt sie flexible Handschuhe, über der Hose eine dicke schwarze Lederschürze mit großen Taschen an den Seiten. So ist das Werkzeug jederzeit greifbar. Zweckmäßig ist das alles, aber nicht gerade sehr weiblich. Ein Kleid, eine hübsche Bluse, Sandalen - in diesem Job Fehlanzeige. Kein Wunder, dass die junge Frau sich manchmal sogar schick macht, wenn einfach nur ihre Freundinnen zu Besuch kommen. "Die fragen mich dann oft, ob ich noch was vorhabe heute", erzählt sie lachend.

Doch auch wenn sie sich manchmal nach anderer Berufsklamotte sehnt, in Pferdeställen fühlt sich Lisa Vogelgesang rund um wohl. "Ich hatte früher selbst zwei Pferde ", sagt sie. So hat sie auch ihren heutigen Chef Andreas Müller kennengelernt. "Er hat meine Isländer beschlagen." Inzwischen fehlt ihr die Zeit für eigene Pferde . Sie reitet die ihrer Schwestern zuhause in der Pfalz, von wo sie jeden Tag zur Arbeit ins Saarland pendelt. "Ich habe schon öfter darüber nachgedacht, umzuziehen. Wenn ich meine Ausbildung abgeschlossen habe und weiter hier arbeite, wird es wohl soweit sein." Das Angebot zur Übernahme in ihrem Lehrbetrieb hat sie bereits bekommen.

Endspurt im Güdesweiler Stall: Monjas und Gomeras Hufe sind allesamt gesäubert und ausgeschnitten, die Eisen aufgebrannt und befestigt. Die Enden der Nägel ragen aus dem Huf. Mit scharfem Werkzeug haut Lisa Vogelgesang kleine Vertiefungen in den Huf. Dann knipst sie mit einer Zange die Spitzen der Nägel ab, biegt die verbleibenden Stümpfe um und versenkt sie in den Mulden. Mit einer riesigen Feile raspelt sie die Oberfläche der Hufe glatt. Wie Sägespäne rieselt das Horn zu Boden. Dann pinselt die angehende Hufschmiedin die Hufe mit Öl ein. Der glänzende Abschluss der Pferdepediküre.

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