Europäischer Kompromiss? EU will den Brexit flexibel handhaben

Brüssel · Nur gut eine Woche vor dem geplanten Brexit-Datum am 31. Oktober gab es am Mittwoch in Brüssel immer noch keine Klarheit über den Fortgang des Austrittsprozesses. Zwar hatte der britische Premierminister Boris Johnson am späten Dienstagabend nach der Forderung des Unterhauses in London, mehr Zeit für Beratungen des mit der EU vereinbarten Deals einzuräumen, das Brexit-Verfahren auf Eis gelegt.

Bei einem Telefonat mit EU-Ratspräsident Donald Tusk erklärte der Premier allerdings erneut, er halte es für „richtig, das Vereinigte Königreich am 31. Oktober aus der Europäischen Union“ herauszuführen. 

Ob die Union nun einer Verschiebung des Brexit-Termins zustimmt, können nur die 27 Staatenlenker selbst entscheiden. Da die Bereitschaft zu einem Sondergipfel in den nächsten Tagen gering ist, empfahl Tusk, sich in schriftlicher Form abzustimmen. Obwohl niemand ernsthaft mit einer Ablehnung rechnet, gab es gestern deutliche Bedenken gegen einen Freibrief. Bundesaußenminister Heiko Maas (SPD) sagte: „Wir müssen wissen: Was ist der Grund für die Verschiebung? Was wird in der Zwischenzeit geschehen? Wird es Wahlen geben in Großbritannien?“ Vor allen Dingen wolle man erfahren, „was die Briten und was Johnson vorhaben“. Regierungssprecher Steffen Seibert betonte allerdings, an Deutschland werde eine Fristverlängerung nicht scheitern. Deutliche Bedenken hatte es zuvor aus Frankreich gegeben. Der französische Außenminister Jean-Yves Le Drian erklärte zunächst vor dem Parlament in Paris, man sehe „gegenwärtig keine Rechtfertigung für eine erneute Fristverlängerung“. Nur wenig später relativierte Europastaatssekretärin Amélie de Montchalin jedoch die Aussage des Ministers: „Wir werden Ende der Woche sehen, ob eine rein technische Verlängerung von einigen Tagen gerechtfertigt ist.“ Beobachter in Brüssel werteten diese Formulierung als Hinweis auf ein mögliches Entgegenkommen in Richtung eines europäischen Kompromisses für eine Verschiebung des Brexits.

Um solche Bedenken aufzugreifen und zu berücksichtigen, schwebt Tusk offenbar ein Instrument namens „Flextension“ vor (zusammengesetzt aus „flexible extension“: flexible Verlängerung). Demnach könnte die EU London eine Verschiebung des Brexits bis zum 31. Januar 2020 anbieten, aber auch offen für ein früheres Ausscheiden bleiben, sobald der Deal die parlamentarischen Hürden genommen hat. 

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