„Die Dinge dort findet man nirgends sonst“

Die Zerstörung der antiken Oasenstadt Palmyra wäre ein herber Verlust – auch für den Westen. Warum, erklärt der Klassische Archäologe Arne Thomsen im Gespräch mit SZ-Redaktionsmitglied Lars Reusch.

Herr Thomsen, welchen kulturhistorischen Stellenwert hat Palmyra?

Thomsen: Palmyra ist für die Altertumswissenschaften ein Ort von herausragender Bedeutung. Es ist, wenn man so will, der östlichste Vorposten, den das römische Reich über lange Zeit behauptet hat, wo die römische Zivilisation sich in aller Deutlichkeit auswirkt. Palmyra ist wirklich so ein altes Scharnier zwischen westlicher und östlicher Zivilisation. Dadurch ist es ein Ort, der ziemlich einmalig ist. Die Dinge, die dort sind, findet man nirgends sonst. Und der Erhaltungszustand ist einfach außergewöhnlich gut, etwa die Säulenstraße, der Baal-Tempel, das Theater, die Grabtürme. Auch das gibt dem Ort eine besondere Bedeutung.

Die Zerstörung wäre also ein echter Verlust.

Thomsen: Das wäre furchtbar. Es ist natürlich alles relativ, wenn man das menschliche Leid sieht, das sich in der Region abspielt. Aber ich bin schon der Überzeugung, dass dieses Kulturgut eben auch schützenswert ist. Und dass wir daran auch wirklich etwas zu verlieren haben.

Für den IS ist es aber fremdes Kulturgut. Verwüstet er deshalb solche Stätten?

Thomsen: Das ist die Rechtfertigung. Da gibt es so eine Ideologie in diesem fundamentalistischen Islam, die besagt, uns interessiert die Geschichte erst ab Mohammed. Und alles, was vorher ist, interessiert uns nicht und soweit es den Regeln widerspricht, muss man dagegen vorgehen. Dazu kommt sicherlich, dass der IS weiß, dass er damit auch provozieren kann. Ich denke, es spielt schon eine ganz erhebliche Rolle, dass wir so aufschreien. Aber gar nicht darüber zu reden, so zu tun, als würde es uns nicht interessieren, geht natürlich auch nicht.

Also die Zerstörung als Propagandamittel.

Thomsen: Mit der Zerstörung von Palmyra könnte man eben die westliche Welt treffen. Denn hier ist es tatsächlich die westliche Zivilisation, es ist das alte Rom, das da auf der Matte steht. Palmyra ist zudem ein Musterbeispiel eines Hybrids von Kulturen, der römischen und der einheimisch-syrischen. Und gerade das ist ja etwas, was diese Fundamentalismen, die auf die reine Absonderung Wert legen, nicht zulassen. Deshalb ist Palmyra auch ein sehr taugliches Symbol.

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