Die deutsche Energiewende ist in Gefahr

Brüssel · Beim Ausbau von Ökoenergien will die EU-Kommission den Staaten mehr nationalen Entscheidungsspielraum lassen. Für die deutsche Energiewende könnte dies allerdings eine Gefahr darstellen.

Man schrieb das Jahr 2007. Die Staats- und Regierungschefs, die damals dabei waren, zeigten sich so motiviert, dass sie sich - wie sie selbst sagten - für das Jahr 2020 "ehrgeizige Ziele" setzten: 20 Prozent weniger CO{-2}-Ausstoß, 20 Prozent weniger Energieverbrauch und außerdem sollten 20 Prozent der Energie aus regenerativen Quellen gewonnen werden. Doch als die gleiche Gemeinschaft sieben Jahre später über neue Ziele diskutieren wollte, war der Elan dahin. Wenige Tage, bevor die EU-Kommission am Mittwoch ihr lange erwartetes Klimaschutz-Paket für 2030 präsentiert, droht nach Auffassung von Kritikern der Öko-Wende die Puste auszugehen. Anstelle einer europäischen Vorgabe oder gar Plänen für jedes Mitgliedsland sollen die Regierungen aber selbst entscheiden, was sie schaffen können und wollen.

Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD) sah sich daher zu einem Brief an die Brüsseler Kommission genötigt. "Wir fordern einen ambitionierten Aufschlag", heißt es darin. Während das Europäische Parlament bereits seine Positionen festgelegt und eine Absenkung des CO{-2}-Ausstoßes bis 2030 um 40 Prozent (jeweils im Vergleich zum Basisjahr 1990) und eine Erhöhung des Anteils regenerativer Energien auf 30 Prozent gefordert hat, bleibt die EU-Kommission zurückhaltend. "Wir wollen zwar verbindliche Zielmarken für Strom und erstmals auch für Wärme vorgeben", sagt ein ranghohes Mitglied der Kommissarsrunde. "Für erneuerbare Energieträger eine Marke zu setzen, wird aber nicht helfen." So denken tatsächlich viele Mitgliedstaaten.

Spanien und Portugal etwa haben ihren Anteil an Strom aus Wind- und Sonnenkraft drastisch erhöht, weil man sich davon lukrative Einspeisungen ins europäische Netz versprach. Doch das ist mangels neuer Leitungen gar nicht möglich. Andere Staaten wie Großbritannien und Frankreich setzen lieber auf die Atomkraft als CO{-2}-arme Quelle. Das ergibt, so räumen Kommissionsvertreter offen ein, "eine Gefahr für die deutsche Energiewende." Denn die Bundesrepublik soll sich endlich für den Binnenmarkt der Mitgliedstaaten öffnen, anstatt auf Insellösungen zu setzen. Dies könnte aber unerwünschte Folgen haben. Denn obwohl Deutschland selbst Atommeiler abschaltet, würde es Strom in Spitzenzeiten aus der Kernkraft-Nachbarschaft bekommen. Von der EU verlangt man deshalb, bis 2030 mindestens 40 Prozent der Energie aus regenerativen Quellen vorzuschreiben. Doch die deutsche Energiewende trifft in Brüssel auf wenig Gegenliebe. "Der Strompreis steigt und steigt. Drei Viertel der Energiekosten sind Abgaben, die Ermäßigungen für die Industrie nach sich ziehen. Das kann man wohl nicht als Erfolg verkaufen", heißt es aus der Kommission. Die Bereitschaft zu weicheren Vorgaben, die offiziell "flexibel" genannt werden, ist groß.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort