Die CSU und die Grenzen der Geduld

Schon der Besuch vor zwei Wochen bei der Winterklausur der CSU-Bundestagsabgeordneten war für Kanzlerin Angela Merkel kein Vergnügen. Heute dürfte es noch weniger spaßig werden. Denn inzwischen deuten nicht nur die Außentemperaturen auf Dauerfrost - auch die Stimmung unter den CSU-Landtagsabgeordneten ist wegen der anhaltenden Flüchtlingskrise im Keller.

Merkel wird sich daher warm anziehen müssen, wenn sie heute ihre Aufwartung in Kreuth macht. Und sie wird Beschwerdepost in die Hand gedrückt bekommen.

Nach einem Brandbrief von 44 Abgeordneten der CDU /CSU-Bundestagsfraktion bekommt Merkel eine Depesche von 30 CSU-Abgeordneten überreicht, deren Tonlage nicht weniger dramatisch ist. Grund für den Brief sei "die tiefe Sorge um die Zukunft unseres Landes". Die CSU-Landespolitiker halten der Kanzlerin vor Augen, dass "das Stimmungsbild in der Bevölkerung so schlecht wie nie zuvor" sei. Mehr als 200 000 Zuwanderer pro Jahr könne Deutschland nicht verkraften. Diese Zahl dürfte allerdings schon im März erreicht sein.

Der März ist überhaupt der Monat der Entscheidung - zumindest aus Sicht der CSU . Sollten bis dahin weiterhin täglich um die 3000 Flüchtlinge nach Deutschland kommen, werde man die "Auseinandersetzung" mit Merkel suchen, hatte Alt-Ministerpräsident Edmund Stoiber angekündigt. Vor der von Ministerpräsident Horst Seehofer angedrohten Klage vor dem Bundesverfassungsgericht dürfte sich Merkel dabei weniger fürchten als vor einem Zerfall ihrer Regierung. Dieser deutete sich gestern an, als Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt auf Konfrontationskurs zur Flüchtlingspolitik der Kanzlerin ging und dringend einen "Plan B" zu der von Merkel angestrebten "internationalen Lösung" forderte: "Es reicht jetzt aber nicht mehr aus, der Welt ein freundliches Gesicht zu zeigen."

Gar nicht gut kam bei der CSU die Aufforderung des Unionsfraktionsvorsitzenden Volker Kauder (CDU ) an, der im "ARD-Morgenmagazin" um "ein bisschen Geduld" gebeten hatte. "Jetzt müssen wir der Kanzlerin auch Zeit geben und sie unterstützen", so Kauder. "Wir hatten jetzt schon ein halbes Jahr Geduld", polterte Bayerns Innenminister Joachim Herrmann . "Innerhalb weniger Wochen" müssten die Kontrollen an den EU-Außengrenzen funktionieren, anderenfalls sollten Flüchtlinge unmittelbar an der bayerisch-österreichischen Grenze zurückgewiesen werden.

Darauf läuft das Dauerfeuer der CSU gegen Merkel hinaus. Nach deutschem Recht können Asylbewerber und Flüchtlinge, die aus einem sicheren Drittstaat kommen, in diesen zurückgeschickt oder gar nicht erst eingelassen werden. Voraussetzung wäre allerdings eine lückenlose Grenzüberwachung, von der zur Zeit keine Rede sein kann. Abseits der drei bayerischen Autobahn-Grenzübergänge zu Österreich werden die zahlreichen Straßenübergänge allenfalls sporadisch kontrolliert. Würde Deutschland mit der geltenden Rechtslage Ernst machen, würde kein Flüchtling mehr über die Balkan-Route nach Deutschland einreisen können. "Das ist keine Erfindung der CSU , sondern geltendes deutsches Recht", beharrte Herrmann. Gerne ist das CSU regierte Bayern bereit, eigene Polizeibeamte zur Verstärkung der Bundespolizei an den Grenzen zu stellen - was Berlin bisher stets dankend abgelehnt hat. "Wir müssen uns darauf vorbereiten, dass wir um Grenzschließungen nicht herumkommen", sagte Dobrindt.

Genau dazu will die CSU die Kanzlerin bewegen. Auch die 30 CSU-Landtagsabgeordneten fordern in ihrem Brief an Merkel, "zur strikten Anwendung des geltenden Rechts" zurückzukehren. Die wirtschaftsfreundliche CSU muss allerdings darauf achten, dass eine dichtgemachte Grenze nicht der Wirtschaft schadet. Der Wirtschafts- und Tourismusverkehr müsse selbstverständlich "weiter rollen", sagte Herrmann.

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