Die Bundeswehr an der russischen Grenze

Berlin/Moskau · Truppenaufmarsch in Polen und im Baltikum: Die Nato will die Abschreckung Russlands verstärken. Die Bundeswehr ist ganz vorne dabei. Moskau will das nicht auf sich sitzen lassen. Der gerade erst wieder aufgenommene Dialog zwischen beiden Seiten ist gefährdet.

Die Nato treibt die Aufrüstung in den an Russland grenzenden Mitgliedstaaten weiter voran. Bundeskanzlerin Angela Merkel bestätigte gestern Nato-Überlegungen zu einer weiteren Truppenaufstockung in Polen und den baltischen Staaten. In Litauen soll eine Bundeswehrkompanie mit 150 bis 250 Soldaten ein Nato-Bataillon mit schätzungsweise 1000 Soldaten anführen. Die Entscheidung fällt auf dem Nato-Gipfel in Warschau am 8. und 9. Juli.

Die östlichen Nato-Mitglieder fühlen sich nach dem Ukraine-Konflikt durch Russland bedroht. Das Bündnis hatte deswegen schon auf dem letzten Gipfel in Wales 2014 eine stärkere Truppenpräsenz in diesen Ländern eingeleitet. Den Dialog mit Moskau will das Bündnis aber trotzdem aufrecht erhalten. "Wir müssen immer wieder die Gesprächsfähigkeit auch herstellen und ermöglichen. Das halte ich für sehr wichtig", sagte Merkel. Der russische Außenminister Sergej Lawrow kündigte allerdings an, mit "den notwendigen Maßnahmen" auf eine Verlegung westlicher Truppen nach Osten reagieren zu wollen.

Die Bundeswehr schickt schon in diesem Jahr 5500 Soldaten in Manöver und Trainingseinsätze im Osten, 500 mehr als im Vorjahr.

Die geplante Truppenverstärkung stehe im Einklang mit der Nato-Russland-Akte, betonte Merkel. Der Vertrag von 1997 sieht vor, dass die Nato auf die ständige Stationierung "substanzieller Streitkräfte" in den einstigen Mitgliedsstaaten des Warschauer Pakts oder der Sowjetunion verzichtet. Die Nato argumentiert, die Truppen im Osten würden rotieren. Außerdem hält sie die derzeitige Zahl der Nato-Soldaten nicht für "substanziell".

Lawrow reagierte in einem vom russischen Außenministerium verbreiteten Interview der schwedischen Zeitung "Dagens Nyheter" auf die Nato-Aktivitäten: "Wir haben immer gesagt, wenn sich militärische Infrastruktur der russischen Grenze nähert, dann werden wir selbstverständlich die notwendigen Maßnahmen ergreifen", sagte er. Das russische Militär werde seine Entscheidungen nicht auf der Basis von Nato-Erklärungen treffen, sondern anhand dessen, was es "mit den eigenen Augen" sehe.

Die Nato hatte erst vor einer Woche ihren vor zwei Jahren wegen der Ukraine-Krise ausgesetzten Dialog mit dem Kreml wieder aufgenommen. Es gebe aber keine gemeinsamen Vorhaben, keine "positive Agenda" mit dem westlichen Bündnis, sagte der russische Botschafter Alexander Gruschko.

Meinung:

Ein Signal der Schwäche

Von SZ-Redakteur Florian Rech

Die Nato will ein Bataillon nach Litauen entsenden. Und die Bundeswehr schickt Verstärkung - bis zu 250 Mann. Dem Kreml schlottern schon jetzt die Knie! Die Truppenaufstockung im Baltikum ist nichts anderes als reine Symbolpolitik. Der Westen sendet so keine schlagkräftige Einheit, sondern einzig ein Signal der Schwäche. Nach Simulationen von US-Experten aus dem Jahr 2015 könnten russische Streitkräfe das Baltikum in 60 Stunden einnehmen und die Nato schlagen.

1000 neue Soldaten werden wenig an diesem Ausgang ändern. Eine größere Truppenaufstockung würde aber gegen die Nato-Russland-Akte verstoßen. Statt sich mit Mini-Armeen lächerlich zu machen, sollte der Westen weiter sein schärfstes Schwert schwingen: Wirtschaftssanktionen gegen Russland.

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