„Die Bahnkunden werden nicht klatschen“

Saarbrücken · Sieben Tage lang wollen die Lokführer der GDL streiken. Es ist der längste Streik in der Geschichte der Bahn. Doch nicht nur deren Kunden zährt das an den Nerven. Auch die Politik wird zusehends nervös.

Vor dem Hintergrund der Streiks bei der Bahn gewinnt das geplante Gesetz zur Tarifeinheit zunehmend an Brisanz. Denn es könnte der Lokführergewerkschaft GDL gewissermaßen die Geschäftsgrundlage für weitere Arbeitskämpfe entziehen. Bei einer Expertenanhörung gestern im Bundestag wurden deshalb starke Bedenken an der Verfassungsmäßigkeit laut.

Der Gesetzentwurf von Arbeitsministerin Andrea Nahles (SPD ) sieht vor, dass künftig nur der Tarifvertrag in einem Betrieb anwendbar ist, den die Arbeitgeber mit der mitgliederstärksten Gewerkschaft abgeschlossen haben. Dies gilt für alle Fälle, in denen konkurrierende Gewerkschaften für dieselben Beschäftigtengruppen Lohnabschlüsse durchsetzen wollen und sich nicht einigen können. Kritiker geben dem Vorhaben eine Mitschuld an der Eskalation des Tarifkonflikts bei der Bahn. Denn das Streikrecht einer Gewerkschaft, die nicht tariffähig ist, liefe praktisch ins Leere. In der Auseinandersetzung bei der Bahn konkurriert die GDL mit der größeren Eisenbahngewerkschaft EVG.

Kleine Gewerkschaften , so das Argument der Befürworter in der Anhörung, dürften nicht ein ganzes Unternehmen lahmlegen können, um ihre Mitglieder zu privilegieren. Die von der Opposition aufgebotenen Fachleute kamen zu anderen Einschätzungen. Durch die Vorlage erodiere das Streikrecht , meinte der Rechtsanwalt und ehemalige FDP-Innenminister Gerhart Baum. Der Arbeitgeber könne einen Betrieb "so zerschneiden, dass die von ihm geschätzte Gewerkschaft eine Mehrheit kriegt", sagte der Rechtswissenschaftler Wolfgang Däubler.

Das sieht GDL-Chef Claus Weselsky genauso. Allein die Bahn besteht nämlich aus rund 300 Betrieben. Für den Fall des Inkrafttretens des Gesetzes haben deshalb GDL und andere Spartengewerkschaften eine Verfassungsklage angekündigt.

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HintergrundFast eine Woche will die Bahn streiken. Doch in der bundesdeutschen Geschichte gab es schon Arbeitskämpfe, die weitaus länger dauerten. Größter Streik der BRD: Am 12. November 1948 beteiligten sich acht Millionen Arbeitnehmer an einer vom DGB-Gewerkschaftsrat ausgerufenen generalstreikähnlichen "Arbeitsruhe" für Lohnerhöhungen und Demokratie in der Wirtschaft.Längster Branchenstreik: Für die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall streikten 1956/57 in Schleswig-Holstein rund 33 000 Metaller 16 Wochen lang. Die Arbeiter der Granitindustrie im Bayerischen Wald legten 1991/1992 sogar für 301 Tage die Arbeit nieder, bevor die zuletzt noch 260 Streikenden für einen Kompromiss stimmten.Längster Firmenstreik: Im Zementwerk Seibel & Söhne in Erwitte traten im März 1975 wegen drohender Kündigungen 150 Beschäftigte in einen Ausstand und besetzten den Betrieb. Der nicht von der Gewerkschaft getragene "wilde Streik" dauerte 449 Tage. Der Fabrikant verweigerte die für Juni 1976 vereinbarte Wiederaufnahme der Arbeit. Die Produktion ging mit neuen Arbeitern weiter.Härtester Metallerstreik: 1984 rief die IG Metall in Hessen und Baden-Würtemberg zum Streik für die 35-Stunden-Woche auf. 58 000 Beschäftigte traten in den Ausstand, 160 000 wurden ausgesperrt, 451 000 waren wegen streikbedingter Produktionsstörungen ohne Arbeit. Der Streik dauerte 52 Tage. dpa

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