Libyen-Gipfel in Berlin Ein Krieg, in dem alle mitmischen
Tripolis/Berlin · Ohne ausländische Eingriffe wäre der Konflikt in Libyen wohl längst zu Ende. Am Sonntag treffen sich die wichtigsten Akteure in Berlin.
Im Berliner Politik-Kosmos mag Libyen weit weg erscheinen. Aber mit dem Gipfeltreffen, bei dem Bundeskanzlerin Angela Merkel die am Konflikt beteiligten Akteure an diesem Sonntag in Berlin versammelt, wird über die Zukunft des ölreichen Wüstenstaats nun auch in der deutschen Hauptstadt verhandelt. Neben Ministerpräsident Fajis al-Sarradsch und General Chalifa Haftar, die in Libyen um die Macht konkurrieren, mischen eine ganze Reihe von Staaten mit ganz unterschiedlichen Interessen mit. An der Konferenz in Berlin werden nach Angaben der Bundesregierung unter anderen die USA, Russland, Großbritannien, Frankreich, die Vereinigten Arabischen Emirate, die Türkei und Ägypten teilnehmen.
Deutschland hatte sich – wie viele europäische Staaten – nach dem Sturz von Machthaber Muammar al-Gaddafi 2011 zunächst kaum in Libyen engagiert. Damit kann es sich jetzt leicht als neutraler Makler präsentieren. Ziel der deutschen Außenpolitik ist es, Libyen zu einer Art Sperrriegel zu machen. Der soll verhindern, dass Schlepperboote in Richtung Europa aufbrechen. Und dass noch mehr Waffen in die Hände von Terrorgruppen gelangen, die aktuell mehrere Staaten Westafrikas destabilisieren. Was es dafür braucht, ist eine libysche Regierung mit funktionierenden Institutionen, die Kontrolle über das gesamte Staatsgebiet hat.
Ägypten ist als direkter Nachbar Libyens und mit einem der stärksten Militärs im Nahen Osten ein wichtiger Unterstützer Haftars. Die Beziehungen sind eng: Der General reiste mehrfach zu Treffen mit Präsident Abdel Fattah al-Sisi nach Kairo. Ägypten will den Einfluss islamistischer Gruppen zurückdrängen, die in Libyen die Sarradsch-Regierung unterstützen.
Auch die Vereinigten Arabischen Emirate wollen islamistische Gruppen eindämmen und setzen dabei in Libyen auf Haftar. Ohne emiratische Bombardements, Luftabwehrsysteme und ohne Angriffe mit Kampfdrohnen hätte Haftars selbst ernannte Libysche Nationalarmee (LNA) den Bürgerkrieg wohl schon verloren. Auch Saudi-Arabien soll Haftar gestärkt haben: Einem Bericht des Wall Street Journal zufolge soll das Königreich ihm „mehrere zehn Millionen Dollar“ angeboten haben, um die Offensive auf Tripolis zu finanzieren. Auch Frankreich wird immer wieder vorgeworfen, Haftar zu unterstützen, offiziell weist die Regierung in Paris dies jedoch zurück.
Für Russland, das ebenfalls Haftar stützt, steht viel auf dem Spiel. Denn Kremlchef Wladimir Putin hat neben Merkel auch vielen anderen Politikern zugesagt, die Konferenz „mit allen Mitteln“ zum Erfolg zu bringen. Moskau will sich im Nahen Osten und in Afrika zu einer bestimmenden Macht entwickeln.
Der Türkei geht es bei ihrer Unterstützung der Sarradsch-Regierung unter anderem um Interessen im Energiesektor. Die Türkei hat kaum eigene Energievorkommen. Ein neues Abkommen zu gemeinsamen Seegrenzen mit Libyen stoppt aus Sicht der Türkei Erdgas-Projekte anderer Mittelmeer-Anrainer. Italien steht in dem Krieg ebenfalls auf der Seite von Al-Sarradsch. Die USA hatten sich unter Präsident Donald Trump – wie sein Vorgänger Barack Obama – zunächst hinter Al-Sarradsch gestellt. Überraschend telefonierte Trump im April dann aber mit Haftar und stärkte ihm den Rücken. Die US-Regierung will die Ölproduktion Libyens am Laufen halten, und Haftar kontrolliert mit verbündeten Milizen die meisten Ölfelder im Land. Auch Haftars Aussagen, das Land vom „Terrorismus“ befreien zu wollen, kamen in Washington gut an.