Die AfD steht vor der Zerreißprobe

Berlin · In Parteien ist es wie in Beziehungen. Wenn kaum noch Gemeinsamkeiten übrig sind, sollte man gehen. Bei der AfD ist dieser Punkt aus Sicht von Bernd Lucke fast erreicht. Er fände eine Spaltung weniger schlimm als ein weiteres Abdriften nach rechts.

Besser ein Ende mit Schrecken als ein Schrecken ohne Ende, denkt sich Bernd Lucke . Der Gründer der Alternative für Deutschland (AfD) hat die ständigen Auseinandersetzungen mit dem rechten Flügel seiner Partei gründlich satt - zu lesen ist das in einer dreiseitigen E-Mail, die er gestern an die Mitglieder der Partei schickte. Das Schreiben gleicht einer offenen Abrechnung. "Es nützt nichts, Konflikte zuzukleistern - man muss sie lösen." Das sei allemal besser, "als dass die Partei sich in einem ständig schwelenden und immer wieder aufflackernden Streit über Monate und Jahre hinweg zerreibt." Er legte auch dem rechtsnationalen Flügel der Partei das Verlassen der AfD nahe.

Das Fass zum Überlaufen brachten für Lucke, der dem Wirtschaftsflügel angehört, die jüngsten Äußerungen seines Co-Vorsitzenden Konrad Adam gegenüber der "Bild"-Zeitung: Adam hatte behauptet, Lucke wolle die AfD verlassen und eine neue Partei gründen. "An dem Gerücht ist lediglich wahr, dass ich mir große Sorgen um die AfD mache", schrieb Lucke als Reaktion auf Adams Äußerungen, die er als "unwahr" kritisierte. Adam kämpfe "mit falschen Freunden an der falschen Front".

Der AfD-Landeschef von Nordrhein-Westfalen, Marcus Pretzell, gehört zwar zu Luckes Widersachern. Trotzdem mag er sich einen Parteiaustritt des Vorsitzenden zum jetzigen Zeitpunkt nicht vorstellen. Pretzell sagt: "Das kann doch wohl gar nicht sein." Einige ältere Parteikollegen denken schon einen Schritt weiter. Sie fragen sich, ob eine "liberale AfD" und eine "rechte AfD" jeweils alleine auf Dauer politisch überlebensfähig wären. Vor allem Adam hegt da Zweifel. Auch Frauke Petry, die hinter vorgehaltener Hand von einigen schon als mögliche Vorsitzende einer "Rumpf-AfD" nach dem Austritt Luckes gehandelt wird, bleibt vorsichtig. Zwar will auch sie eine Trennung nicht mehr explizit ausschließen. Gleichzeitig möchte sie aber den Eindruck vermeiden, sie wolle noch mehr Öl ins Feuer gießen und dadurch zum weiteren Niedergang der AfD beitragen.

Dass die AfD zumindest in den westlichen Bundesländern zuletzt Anhänger verloren hat, ist auch einer der Gründe dafür, dass Lucke jetzt die Konfrontation sucht. Vor allem die Analyse der Bürgerschaftswahlen in Hamburg und Bremen, bei denen die FDP eine kleine Wiederauferstehung feiern konnte, war für ihn schmerzhaft. "Liberalen Wählern scheint eine profillose FDP attraktiver als die AfD", stellt er mit Entsetzen fest. Die Schuld an dieser Entwicklung sieht er bei Kräften, die eine "radikalere AfD" wollen und mit steilen Thesen zur "Bewahrung der deutschen Identität" das "seriöse Image" der Partei beschädigen würden.

Tatsächlich hatte sich beim letzten Bundesparteitag Anfang Februar gezeigt, dass der rechte Flügel der AfD zwar lauter, aber zahlenmäßig nicht überlegen ist. Das Kräfteverhältnis könnte sich nicht nur nach Meinung Luckes bald verschieben. Dann wäre für Lucke auch der von ihm so lange angestrebte Posten des alleinigen Parteivorsitzenden nicht mehr so attraktiv.

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