Deutschland zahlt drauf

Brüssel · Ein Brexit könnte die Briten teuer zu stehen kommen. 5400 Euro könnten pro Einwohner verloren gehen. Doch auch die anderen Europäer zahlen drauf, wenn Großbritannien die Europäische Union verlassen sollte.

Der Wutausbruch des David Cameron im Oktober 2014 bleibt unvergessen. Am Rande des EU-Gipfels ereiferte sich der britische Premier, weil ihm die Brüsseler Kommission gerade eine Nachzahlungsaufforderung über 2,1 Milliarden Euro ins Haus geschickt hatte. Der Grund: Die britische Wirtschaft lief wie am Schnürchen. Und da sich die Jahresbeiträge der Mitgliedstaaten auf gut ein Prozent der Wirtschaftsleistung belaufen, musste die Regierung nachzahlen. Camerons Theaterdonner war allerdings gespielt: Der Brief war drei Wochen alt und längst bekannt. Doch der Mann aus London wollte schon damals zeigen, dass er sich über die EU weitaus anschaulicher ärgern kann als seine politischen Gegner von der europafeindlichen UKIP. Dabei ist es genaugenommen eine Frage der Statistik, ob Großbritannien tatsächlich zu den großen Nettozahlern der Gemeinschaft gehört.

Nimmt man die absoluten Zahlen, dann überweist London tatsächlich 11,38 Milliarden Euro nach Brüssel (alle Zahlen für 2015) und dürfte wohl nach der Abrechnung lediglich 6,98 Milliarden über Zuschüsse und Fördergelder zurückerhalten - das kommt knapp 0,5 Prozent des britischen Bruttoinlandsproduktes gleich. Deutschland schickt übrigens 22 Milliarden Euro und erhält nur 13 Milliarden zurück. Rechnet man die Belastungen allerdings auf jeden Bürger um, zahlt niemand mehr als die Niederländer (280 Euro ) und Schweden (240). Deutschland liegt mit 192 Euro auf dem dritten Platz, die Briten tauchen in der Aufstellung derer, die pro Kopf 130 Euro im Jahr nach Brüssel schicken (EU-Durchschnitt), gar nicht auf.

Der Grund dafür stammt aus dem Jahre 1984 und hat mit der Handtasche der damaligen Premierministerin Margret Thatcher zu tun. Diese schlug sie derart beeindruckend und nervend auf ihr Pult, um ihr Geld zurückzubekommen ("I want my money back"), bis die EU-Partner den sogenannten Briten-Rabatt erfanden. Er beträgt 66 Prozent des Netto-Jahresbeitrags, ist somit variabel und von den tatsächlichen Einzahlungen abhängig. In den zurückliegenden Jahren betrug er zwischen vier und fünf Milliarden Euro . Zwischen 1985 und 2014 summierte er sich allerdings auf stattliche 111 Milliarden Euro . Ob das Vereinigte Königreich unterm Strich tatsächlich Geld spart, wenn man aus der EU austritt, dürfte eine ziemlich gewagte Behauptung sein. In einem Gutachten des britischen Europaministers David Lidington heißt es, den Briten würden im Falle eines Austritts pro Kopf im Jahr bis zu 5400 Euro verloren gehen. Ob diese Rechnungen stimmen, weiß derzeit niemand.

Fest steht, dass ein Brexit die übrigen EU-Mitglieder und vor allem Deutschland teuer zu stehen kommen würde. Denn der Haushalt der EU wird auf alle Mitglieder aufgeteilt, die fehlenden britischen Beiträge müssten kompensiert werden. Bei einem Jahresetat von 142 Milliarden Euro für Zahlungen beziehungsweise 162 Milliarden für Ermächtigungen (Zahlen für 2015) bedeutet das: Berlins Jahresbeitrag an die EU könnte um 2,5 Milliarden Euro steigen, Frankreich müsste 1,9 Milliarden Euro drauflegen, Italien fast 1,4 Milliarden und Spanien 900 Millionen.

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