Deutschland steuert auf Streik-Rekord zu

Berlin · Eine Studie belegt es: So viel wie in diesem Jahr wurde in Deutschland schon lange nicht mehr gestreikt. Auch in der zweiten Jahreshälfte dürften die Zahlen hoch bleiben.

 Streiks gehören in Deutschland derzeit fast zum Alltag. foto: dpa

Streiks gehören in Deutschland derzeit fast zum Alltag. foto: dpa

Erzieherinnen, Briefträger und Metaller haben Deutschland einer Studie zufolge bereits jetzt eines der heftigsten Streikjahre seit der Wiedervereinigung beschert. Seit Jahresbeginn seien schon eine halbe Million Arbeitstage wegen Streiks oder Warnstreiks ausgefallen, heißt es in einem gestern veröffentlichten Bericht des arbeitgebernahen Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW).

Das sind dreimal so viele Ausfalltage wie im Vorjahr und der höchste Wert seit 1993. Damals waren im gesamten Jahr 593 000 Ausfalltage registriert worden. Das IW sprach von einer "extremen Konflikt-Eskalation". Für die hohen Zahlen im laufenden Jahr haben in erster Linie die Großgewerkschaften IG Metall mit Warnstreiks in der Metall- und Elektroindustrie sowie Verdi mit dem Arbeitskampf in den Kitas gesorgt, wie IW-Experte Hagen Lesch erläuterte. Die gefühlten Dauerstreiks der Lufthansa-Piloten und der Lokführer fielen wegen der geringen Zahl der Streikenden nicht so stark ins Gewicht.

Die Chance, dass sich die Lage in der zweiten Jahreshälfte merklich entspannt, ist nach Ansicht Leschs gering. Er verwies auf den laufenden Arbeitskampf bei der Post und die in der Schlichtung steckenden Konflikte bei Lufthansa, Bahn und zu den Erziehungsberufen. 2015 könnte daher nach 1992, als 1,5 Millionen Arbeitstage ausfielen, das größte Streikjahr seit der deutschen Einheit werden. Derzeit komme allein mit jedem weiteren Streiktag bei der Post "eine fünfstellige Summe an Ausfalltagen hinzu", erklärte Lesch.

Der unbefristete Post-Streik ging gestern in die zweite Woche, ohne dass sich eine Lösung abzeichnet. Es gibt auch keinen neuen Gesprächstermin. "Wir weiten den Arbeitskampf schrittweise aus", sagte ein Verdi-Sprecher. Rund 19 000 Angestellte hätten sich gestern beteiligt. Laut Post würden die meisten Briefe und Pakete aber befördert: 85 Prozent der rund 65 Millionen Briefe und 75 Prozent der 3,5 Millionen Pakete.

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